Evolution Stirbt der Feind aus, schadet das der Beute

SDA

4.5.2020 - 15:24

Eine ausgewachsene Gallfliege auf einem Weidenblatt.
Eine ausgewachsene Gallfliege auf einem Weidenblatt.
Source: Universität Zürich/Matthew Barbour

Verschwinden Arten, beeinflusst das die Evolution der überlebenden Arten. Verlieren diese ihre natürlichen Feinde, nimmt ihre genetische Vielfalt ab. Dadurch schwindet ihre Anpassungsfähigkeit an die sich verändernde Umwelt, zeigt eine Studie der Universität Zürich.

Die Erde befindet sich laut vielen Fachleuten inmitten des sechsten Massenaussterbens, was schon heute verheerende Auswirkungen auf die Funktion von natürlichen Ökosystemen hat. Unklar ist allerdings noch, wie die überlebenden Arten damit zurechtkommen, wie die Uni Zürich am Montag mitteilte.

In einem Feldexperiment in Kalifornien gingen Forschende der Universität Zürich dieser Frage nach. Sie untersuchten, wie sich die Merkmale einer Fliege verändern, wenn ein Teil ihrer natürlichen Feinde verschwindet. Demnach verlieren die Fliegen dadurch ihre vielfältigen Fähigkeiten, sich gegen Feinde zu verteidigen. Die Studie erschien kürzlich im Fachmagazin «Ecology Letters».

Räuberische Parasiten gezielt ausschalten

Das Experiment führten die Forschenden mit Gallfliegen durch. Diese Fliegenart lebt auf Weidenblättern in zahnförmigen Wucherungen, sogenannten Gallen, die sie im Larvenstadium bildet. Zu ihren Feinden gehören mehrere Arten von Schlupfwespen, die ihre Eier in die Fliegenlarven ablegen und dort ihre Entwicklung durchlaufen. Wenn sie die Galle verlassen, fressen sie die Fliege auf.

Einige Schlupfwespen-Arten greifen die Fliegenlarven an, bevor diese Gallen gebildet haben. Andere parasitieren die Larven später und dringen von aussen in die Galle ein. Letztere hielten die Forschenden im Experiment von den Gallen fern, indem sie diese mit feinen Netzen schützten. Nach drei Monaten sammelten die Evolutionsbiologen etwa 600 Gallen ein und schauten nach, ob die Fliegenlarven überlebt hatten.

Zahl der Überlebenslösungen sinkt

Ausserdem untersuchten die Forschenden drei Merkmale, mit der die Fliegen einen Angriff durch Raubparasiten versuchen abzuwehren: die Grösse der Galle, die Anzahl der Fliegen innerhalb einer Galle und das genetische Muster der Weidenbäume, auf der die Fliegen ihre Galle bilden.

Wurden die Fliegen nicht vor natürlichen Feinden abgeschirmt, nutzten sie unterschiedliche Kombinationen dieser drei Merkmale, um sich vor den Wespen zu schützen. Wenn jedoch ein Teil der natürlichen Feinde fehlte, überlebte die Gallfliege mit dem lateinischen Namen «Iteomyia salicisverruca» nur mit einer ganz bestimmten Kombination der drei Merkmale.

«Dies legt nahe, dass das Aussterben der natürlichen Feinde die Evolution der Fliege in Richtung einer einzigen optimalen Lösung einschränkt», liess sich Studien-Erstautor Matthew Barbourin der Mitteilung der Universität Zürich zitieren. Genetischen Variationen könnten im Erbgut der Fliegen so dauerhaft verloren gehen.

Dieser Verlust an Vielfalt könnte Konsequenzen haben: «Eine Vielzahl möglicher Überlebenslösungen dient dazu, die genetische Variabilität für die Merkmale der Gallen zu erhalten», sagte Barbour. Und weil genetische Variation das Rohmaterial für die Evolution liefert, könnte das Wegfallen von natürlichen Feinden die Anpassung der Gallfliegen an künftige Umweltveränderungen erschweren.

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