Kulinarische Offensive Taiwan trotzt China mit Ananasrezepten

AP/toko

12.3.2021

Hung Ching Lung serviert seine Rindfleisch-Nudelsuppe jetzt mit Ananas.
Hung Ching Lung serviert seine Rindfleisch-Nudelsuppe jetzt mit Ananas.
Chiang Ying-Ying/AP/dpa/Keystone

Um politischen Druck auszuüben, setzt China gern die Macht seines Marktes ein. Auf den jüngsten Vorstoss dieser Art reagiert Taiwan mit einer kulinarischen Offensive.

Taiwans Küche hat neuerdings eine betont süsssaure Note. In Taipeh serviert Hung Ching Lung den Klassiker Rindfleisch-Nudelsuppe jetzt mit Ananas. Dies sei ein bescheidener Versuch, die taiwanesischen Ananasbauern zu unterstützen, sagt der Chefkoch des Restaurants «Chef Hung».

Das etwas stachelige Obst ist zum Zankapfel zwischen China und Taiwan geworden. China hat die Einfuhr von Ananas aus Taiwan verboten und als Grund Schädlinge genannt. Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen mahnte zur Unterstützung einheimischer Ananas-Bauern. In einem Internet-Eintrag rief sie zum kulinarischen Harakiri auf: «Esst taiwanische Ananas, bis ihr platzt.»



Zankapfel zwischen China und Taiwan

Die Kampagne hat die Ananas zum Medienstar gemacht. Politiker von Tsais Demokratischer Fortschrittspartei und der oppositionellen Nationalisten strömten auf Farmen, um Bilder von sich und mindestens einer Ananas im Internet posten zu können.

Köche wie Hung haben ihren Gerichten eine Ananas-Infusion verabreicht und Ananas-Shrimps-Klösschen, Betelnuss-Ananassalat und gebratenen Reis mit Ananas kreiert — um nur einige Gerichte zu nennen, die von Restaurants und Hotels auf der Insel angeboten werden.

Hung berichtet, er und sein Team hätten drei Tage probiert, wie sie Ananas ihrer Rindfleischnudelsuppe einverleiben könnten. Nach zehn Versuchen habe es dann geklappt. Beim ersten Anlauf habe er die Ananas in der Suppe gekocht, erzählt Hung. «Es war sehr süss, es war ungeniessbar und schmeckte komplett nach Ananas.» Schliesslich habe er den Saft beim Kochen vom Fruchtfleisch getrennt. Dadurch sei er die Süsse losgeworden, die sonst den Rindfleischgeschmack völlig überwältigt hätte.

Selbstverständlich betont China, das seit 1. März gültige Importverbot für taiwanische Ananas sei ein gänzlich unpolitischer Schritt. Es handle sich um eine normale Schutzmassnahme zur Biosicherheit, die vollkommen vernünftig und notwendig sei, beteuert das Büro für taiwanische Angelegenheiten in Peking. Dagegen spricht das Aussenministerium Taiwan von einem Schritt, der dem regelbasierten, freien und fairen Handel völlig widerspreche.

China hat seine Marktmacht erst vor kurzem gegen Australien in Stellung gebracht. Nachdem auch Australien eine Untersuchung zum Ursprung des Coronavirus gefordert hatte, stoppte oder verringerte China die Einfuhr von Rindfleisch, Kohle, Gerste, Meeresfrüchten, Zucker und Holz aus dem Land.

420'000 Tonnen Ananas im Jahr

Das Verbot von Ananas-Einfuhren aus Taiwan dürfte die Bauern dort indessen nicht allzu hart treffen. Einen Tag nach Inkrafttreten des chinesischen Importverbotes sagte der taiwanische Ministerpräsident Su Tseng-chang, Bürger und Unternehmen im Inland hätten bereits mehr Ananas gekauft, als sonst nach China exportiert worden wären. Zusätzlich habe es Bestellungen aus Japan, Australien, Singapur, Vietnam und dem Nahen Osten gegeben. Ausserdem hat die Regierung Beihilfen in Höhe von einer Milliarde Taiwan-Dollar (gut 33 Millionen Franken) versprochen.

Taiwan produziert jährlich etwa 420'000 Tonnen Ananas. Davon werden 90 Prozent im Land selbst verkauft, wie der Landwirtschaftsrat mitteilte. Die übrigen zehn Prozent gehen in den Export, der grösste Teil davon nach China. Ob Taiwan den Verlust dieses Absatzmarktes mit zusätzlichen Verkäufen im Inland und anderswo langfristig ausgleichen könnte, ist offen.

Kurzfristig hat China aber erst einmal patriotische Gefühle auf Taiwan in Wallung gebracht. «Wir alle versuchen, einen Weg zu finden, um den Bauern zu helfen», sagt Alice Tsai, die in Hungs Restaurant eingekehrt ist, um seine Nudeln zu probieren. Die seien überraschend lecker, urteilt sie. «Vor kurzem bin ich in den Supermarkt gegangen und habe festgestellt, dass alle Ananas ausverkauft waren», berichtet sie dann. «Ich fühlte mich sehr berührt. — Jeder hat dieses Gefühl der Solidarität.»