Geruch von faulen Eiern Traumstrände Mexikos von stinkenden Algen bedroht

Mark Stevenson, AP

11.5.2019

Mexikos Karibikküste wird von einer Seegrasplage heimgesucht. In Playa del Carmen versuchen Arbeiter in Sisyphosarbeit, den Strand vom Seegras zu befreien.
Mexikos Karibikküste wird von einer Seegrasplage heimgesucht. In Playa del Carmen versuchen Arbeiter in Sisyphosarbeit, den Strand vom Seegras zu befreien.
Bild: Victor Ruiz/AP/dpa

Die Karibik-Ressorts um Cancún locken jedes Jahr unzählige Urlauber – und die regionale Wirtschaft ist praktisch komplett vom Tourismus abhängig. Eine sich ausbreitende Braunalgen-Plage könnte daher auch für die Bevölkerung verheerende Folgen haben.

Das Meer ist nicht mehr türkis, sondern trüb. Auf dem weissen Sand liegt tonnenweise Tang. Statt frischer Seeluft dominiert ein Geruch nach faulen Eiern. Die mexikanische Riviera hat ein Problem.
Seit 2014 wird die Küste in immer grösserem Ausmass von Braunalgen heimgesucht. In dieser Saison könnte es besonders schlimm werden. Und Experten gehen davon aus, dass dies der neue Normalzustand sein wird.

Vor 2014 waren die Algen der Gattung Sargassum in der Karibik kaum verbreitet. Doch der Klimawandel, in Kombination mit Meeresströmungen und Verschmutzung durch Düngemittel aus der Landwirtschaft, hat viele Strände grundlegend verändert. In den betroffenen Urlaubsorten wie Cancún, Playa del Carmen und Tulum werden etwa die Hälfte der Tourismus-Einnahmen Mexikos generiert. Auch die Wirtschaft schlägt deswegen Alarm.

Für den Tourismus eine Katastrophe

Im März wurde am Flughafen von Cancún im Hinblick auf ankommende Touristen gegenüber dem Vorjahresmonat zwar noch ein Plus von 3,3 Prozent verzeichnet. Wie lange der positive Trend noch anhält, ist allerdings fraglich. «Nach meiner bescheidenen Meinung ist das eine Katastrophe, die den Tourismus und die Unternehmen lähmen und leider die örtliche Wirtschaft insgesamt zerstören wird», sagt Jef Gardner aus Knoxville im US-Staat Tennessee, der bislang regelmässig in Playa del Carmen zu Gast war.

Die Befürchtungen sind wohl nicht übertrieben: Die Algenteppiche, die sich derzeit fast an der gesamten Küste des mexikanischen Bundesstaates Quintana Roo entlangziehen, sind noch grösser als im vergangenen Jahr. Auch andere Teile der Karibik sowie des Golfs von Mexiko sind immer öfter betroffen, aktuell etwa auch die Ostküste Floridas.

Die Region um Cancún ist komplett vom Tourismus abhängig. Die Plage könnte für empfindliche Einbussen sorgen.
Die Region um Cancún ist komplett vom Tourismus abhängig. Die Plage könnte für empfindliche Einbussen sorgen.
Bild: Daniel Reinhardt / dpa (Symbolbild)

Algenmassen kommen von weit her

Ihren Ursprung haben die Algenmassen in einer weit entfernten Region: in den tropischen Bereichen des Atlantiks südlich der Amazonas-Mündung. Chuanmin Hu, Ozeanographie-Professor am College of Marine Science der South Florida University, führt das Phänomen unter anderem auf einen zunehmenden Auftrieb von nährstoffreichem Wasser aus tiefer liegenden Meeresschichten zurück. «Der globale Klimawandel kann zu verstärktem Auftrieb, erhöhten atmosphärischen Ablagerungen oder erhöhtem Nährstoffeintrag über die Flüsse führen», sagt er. «Alle drei Faktoren könnten zu der jüngsten Verbreitung von Sargassum beigetragen haben.»

Die Unternehmer vor Ort hoffen derweil verzweifelt auf eine baldige Lösung des Problems. Denn der Algenteppich droht zunehmend, auf die Urlaubslaune ihrer Gäste zu schlagen. «Man muss ihn stoppen, bevor er die Strände erreicht», sagt Adrián López, Präsident des Arbeitgeberverbandes von Quintana Roo. Vor den Küsten verankerte Barrieren aus Plastik wären im Prinzip eine Möglichkeit. López betont allerdings, dass einige Ressorts direkt vor ihren Stränden Flachwasserbereiche mit Korallenriffen hätten, wo derartige physische Barrieren nicht infrage kämen.

Der Experte Hu warnt zudem, dass eine solche Lösung sehr teuer wäre. Die gigantischen Mengen an Braunalgen, die sich hinter den Barrieren aufstauen würden, müssten schliesslich in irgendeiner Weise eingesammelt werden, sagt er. Es wären Tag für Tag Hunderte Fahrten mit dafür geeigneten Booten erforderlich.

Wissenschaftler haben inzwischen Systeme entwickelt, mit denen bis zu einem gewissen Grad vorausgesagt werden kann, wann und wo grössere Mengen Sargassum anfallen werden. Doch auch bei rechtzeitiger Warnung bleibt die «Entsorgung» schwierig. «Man kann einen Strand aufräumen, ihn sauber machen», sagt López. «Aber stellen Sie sich vor, Sie fangen um sechs Uhr morgens an und um elf Uhr sind alle Algen weg. Und um sieben Uhr abends, wenn die Sonne untergeht, ist dann alles wieder voll.»

Ziegelsteine aus Braunalgen

Ungeklärt ist ausserdem die Frage, was mit den gigantischen Mengen an eingesammelten Braunalgen passieren soll. Als Düngemittel oder Tierfutter sind sie nur bedingt geeignet, da sie unter anderem Salz, Jod und Arsen enthalten. Eine neue Idee ist nun, sie als Zusatzstoff bei der Herstellung von Ziegelsteinen zu nutzen.

Die meisten Touristen jedenfalls dürften bei ihrem Mexiko-Urlaub auch weiterhin die Traumstrände erwarten, für die die Ressorts um Cancún eigentlich bekannt sind. Zwar sind von den Hotels aus auch Ausflüge zu Ruinen aus der Maya-Zeit im Dschungel möglich. Aber die deutliche Mehrzahl der Urlauber kommt traditionell wegen der Strände. Und auf Dauer werden sie dort wohl weder das braune Wasser, noch den Gestank, noch den herumliegenden Tang akzeptieren.


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