Strafgerichtshof Antalya 4,5 Jahre Knast für 16-Jährigen, weil er eine 13-Jährige geküsst hat

phi

3.10.2018

Es gibt schönere Orte: das Gefängnis von Antalya in gleichnamiger Provinzhauptstadt.
Es gibt schönere Orte: das Gefängnis von Antalya in gleichnamiger Provinzhauptstadt.
Bild: Keystone

Ein türkischer Teenager muss fürs Küssen einer Schülerin für Jahre ins Gefängnis. Das Urteil ist kein Einzelfall – und deshalb absurd, weil ein Erwachsener in einem entsprechenden Fall ungeschoren davongekommen wäre.

A.K. wird den Tag nicht vergessen, an dem der Strafgerichtshof der Provinz Antalya ihm eröffnet, was für ein Urteil gefällt wurde – der Teenager muss für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Das Vergehen des 16-jährigen Schülers: Er hat eine 13-Jährige geküsst. Die «Tat» vor der Schule des Mädchens wäre eigentlich gar nicht publik geworden, wenn nicht ein Mitschüler der 13-Jährigen den Moment per Handy festgehalten hätte.

Küssen = Sexueller Missbrauch

Dass Staatsanwaltschaft und Gericht nicht nur kein Herz für die Liebe, sondern auch kein Verständnis für die Jugend haben, zeigt sich darin, dass auch der Teenager angezeigt wurde, der den Film gemacht hat. Die Staatswanwalt wollte den Teenager für das «Benutzen von Kindern bei der Produktion unangebrachter Bilder» belangen.

Selbst die vier Mitschüler, denen der harmlose Clip geschickt worden war, wären nach Willen des Staatsvertreters zur Verantwortung gezogen worden: Obwohl die nur Empfänger waren, wurde ihnen das «Teilen unangemessener Bildern im Zusammenhang mit Kindern» vorgeworfen. Von diesen sechs Angeklagten wurden fünf freigesprochen – nur der Protagonist des Videos wurde wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. «

Der Justizpalast von Antalya. Fürstlich geht es hier aber nicht zu.
Der Justizpalast von Antalya. Fürstlich geht es hier aber nicht zu.
Keystone

Ein Fall, den die Kinder als Spiel angesehen haben, ist bis vor den Strafgerichtshof gebracht worden», sagte Anwalt Sevcan Aydın Uzun der türkischen Zeitung «Hürriyet». «Ein Gutachten hat betont, dass seine Pubertät A.K. den Impuls für seine Handlung gegeben hat und es keinen Bedarf für Strafe gebe, aber Staatswalt und Richter haben das nicht berücksichtigt.»

Deutscher acht Monate in U-Haft

Dass Richter in Antalya offenbar Ausschlag kriegen, wenn es um küssende Teenies geht, musste 2007 auch Marco Weiss erfahren. Der 17-Jährige war mit seinen Eltern für Ferien in die Türkei gefahren, sass dann jedoch acht Monate in Untersuchungshaft, weil er sich mit einem Mädchen vergnügt hatte.

Dem Deutschen hatte die Britin seiner Aussage zufolge gesagt, sie sei 15 Jahre alt, obwohl sie damals zwei Jahre jünger gewesen ist. Weiter sei sie auf ihn zugekommen, versicherte Weiss, der aber dennoch wegen «sexuellen Missbauchs von Kindern» zu zwei Jahren und zwei Monaten bedingt verknackt wird.

Marco Weiss im Juni 2007 im Knast von Antalya.
Marco Weiss im Juni 2007 im Knast von Antalya.
Keystone

Was an der Redlichkeit der Behörden in Antalya zweifeln lässt: Die deutschen Behörden verzichteten auf weitere Schritte, nachdem sie das Verhandlungsprotokoll aus der Türkei bekommen haben. Es fänden sich darin keine Hinweise auf eine Straftat, so der Tenor.

Erwachsener hätte straffrei davonkommen können

Noch merkwürdiger ist das Gebaren der türkischen Richter, wenn man bedenkt, dass ein Erwachsener in entsprechenden Fällen ungeschoren davonkommen könnte. Im Oktober 2017 hat das Parlament in Ankara beschlossen, dass Imame in dem Land fortan zivile Eheschliessungen vornehmen dürfen.

Das hat deshalb für einen Aufschrei gesorgt, weil die Geistlichen auch Kinder verheiratet haben. Auf Kosten des Zivilrechts wurde dieses Gebaren nun quasi vom Amts wegen gutgeheissen. Und erst ein Jahr zuvor hatte die Türkei das Mindestalter für Geschlechtsverkehr von 16 auf 12 Jahre gesenkt.

Dabei geht es wohlgemerkt um einvernehmlichen Sex. Wenn das Kind dagegen ist, droht dem Erwachsenen im schlimmsten Fall die chemische Kastration. Zumindest dieser Kelch ist an Schüler A.K. vorbeigegangen.

Hier noch die Bilder des Tages:

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