Homosexualität in der Kirche Vatikan-Enthüllungsbuch – 600 Seiten Sprengkraft

AP

19.2.2019

Männer hat es im Vatikan genug – nun behauptet ein Buch, viele Priester seien schwul.
Männer hat es im Vatikan genug – nun behauptet ein Buch, viele Priester seien schwul.
Symbolbild: Keystone

Ein französischer Soziologe outet den Vatikan: Sein Buch «Sodoma» enthüllt das vermeintliche Doppelleben schwuler Priester. Ausgerechnet dem Papst soll das helfen.

Rund 600 Seiten voller Sprengkraft – so sieht der Franzose Frédéric Martel sein Enthüllungsbuch über die Schwulenszene im Vatikan. Eine wahre homosexuelle Subkultur herrsche dort, so der Tenor des Buches: Viele Würdenträger in dem römischen Kirchenstaat hätten entsprechende Neigungen. Der Soziologe Martel, selbst schwul und seit langem als Aktivist unterwegs, spricht von einer der weltweit grössten Schwulen-Gemeinschaften.

Öffentlich klagten die Kirchenmänner Homosexualität an, lebten sie aber hinter den Mauern des Vatikans selbst und führten so ein heuchlerisches Doppelleben. Martel geht noch weiter und kommt zu dem Schluss: Je eindeutiger schwul, desto vehementer die Anti-Homo-Rhetorik nach aussen. Darüber hinaus schreibt der Autor die Krise der katholischen Kirche zu einem Gutteil einem internen Machtkampf in diesem Zirkel zu.

Monsignor Krzysztof Charamsa und sein Partner Anfang Oktober 2015 in Rom: Der Geistliche wurde nach seinem Coming-out von seinen Pflichten entbunden.
Monsignor Krzysztof Charamsa und sein Partner Anfang Oktober 2015 in Rom: Der Geistliche wurde nach seinem Coming-out von seinen Pflichten entbunden.
Bild: Keystone

«Sodoma» heisst das Buch, das an diesem Donnerstag erscheinen soll. In 20 Ländern, in acht Sprachen soll es in nächster Zeit auf den Markt kommen. Nach eigenen Angaben hat Martel vier Jahre lang dafür recherchiert, und zwar in 30 Ländern. Einige Wochen habe er auch im Vatikan verbracht. Zugang habe ihm ein Vertrauter von Papst Franziskus verschafft, der Mann, auf den das Kirchenoberhaupt sich mit seiner berühmt gewordenen Äusserung «Wer bin ich, über ihn zu richten?», bezogen habe.

Kampf gegen Homophobie

Martel sagt, er habe fast 1500 Interviews mit 41 Kardinälen, 52 Bischöfen oder Monsignores sowie 45 Botschaftern geführt. Ihm zur Seite standen demnach 80 Rechercheure, Übersetzer, ortskundige Helfer und Journalisten sowie 15 Juristen. Entstanden ist eine Mischung aus investigativem Journalismus und anzüglichem Klatsch. Das Ziel der Veröffentlichung? Den Vatikan als Bastion des Doppellebens und der Heuchelei zu entlarven und zu befreien.

Papstbesuche in der Schweiz:

Es scheint, als ob Martel damit Reformen des Papstes zugunsten Schwuler Rückenwind verschaffen will, indem er die schärfsten Kritiker von Franziskus zu diskreditieren versucht. «Franziskus weiss, dass er die Haltung der Kirche weiterentwickeln muss», schreibt Martel, «und dass er das nur schaffen wird zum Preis eines gnadenlosen Kampfes gegen all jene, die Sexualmoral und Homophobie nutzen, um ihre eigene Scheinheiligkeit und ihr Doppelleben zu verbergen.»

Wer ist Papst Franziskus?

Die kirchliche Auslegung gebietet einen respekt- und würdevollen Umgang mit Homosexuellen, billigt aber keine homosexuelle Handlungen.
Der Jesuitenpater und Autor James Martin hat Auszüge des Buchs gelesen. Darin findet er eine «überzeugende Argumentation», dass es im Vatikan viele Schwule gebe und dass einige davon sexuell aktiv seien. Doch der sarkastische Ton des Autors untergrabe das Buch.

Fakten mischen sich mit Fiktionen

Martels umfangreiche Recherche werde «von so vielen Gerüchten und Anspielungen» zugedeckt, dass es schwer sei, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden, moniert der Jesuit. Martel greife auf einige der schlimmsten Stereotype zurück, auf sarkastische und abschätzige Formulierungen. «Es gibt heute in der Kirche viele schwule Priester, Bischöfe und Kardinäle im Amt», sagt auch Martin. «Aber die meisten von ihnen halten, wie ihre Hetero-Kollegen, an einem Leben in Keuschheit und Zölibat fest.»

Buchautor Frédéric Martel.
Buchautor Frédéric Martel.
Bild: Keystone

Die Veröffentlichung von «Sodoma» fällt auf den selben Tag, an dem Franziskus im Vatikan einen Gipfel gegen sexuellen Missbrauch anberaumt hat. In Martels Buch geht es nicht darum, aber der zeitliche Zusammenhang könnte die Argumentation in konservativen Kreisen beflügeln, dass Homosexualität in der Priesterschaft die Missbrauchsskandale hervorgerufen hat.

Das dürfte nicht im Sinne Martels sein, denn in der LGBT-Gemeinschaft wird diese Ansicht zurückgewiesen. Seit langem ist der Autor und Journalist in Frankreich als Verfechter von Homo-Rechten aktiv. Der einstige Regierungsberater trug auch zur Gesetzgebung bei, mit der in Frankreich eingetragene Partnerschaften eingeführt wurden. Aus dem Vatikan gab es auch auf Anfrage zunächst keinen Kommentar zu Martels neuestem Werk.

Formaler Fauxpas – Bub platz in Generalaudienz:

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