Abgas-Skandal VW will drohende Milliardenstrafen von Supreme Court klären lassen

jb

30.6.2021 - 13:02

Der in den USA teils schon abgeräumt geglaubte Dieselskandal könnte für Volkswagen ein langwieriges und potenziell teures Nachspiel haben. Nun will der Autobauer vor den obersten Gerichtshof der USA. (Archiv)
Der in den USA teils schon abgeräumt geglaubte Dieselskandal könnte für Volkswagen ein langwieriges und potenziell teures Nachspiel haben. Nun will der Autobauer vor den obersten Gerichtshof der USA. (Archiv)
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Der in den USA teils schon abgeräumt geglaubte Dieselskandal könnte für Volkswagen ein langwieriges und potenziell teures Nachspiel haben. In einem weiteren Rechtsstreit über mögliche hohe Bussgelder erlitt der Autobauer vorläufig eine empfindliche Niederlage.

jb

Das Oberste Gericht von Ohio entschied am Dienstag (Ortszeit), dass der Bundesstaat wegen systematischer Abgasmanipulation Sanktionen gegen den Konzern verfolgen kann, die über die bereits auf US-Bundesebene vereinbarten Strafen hinausgehen.

Für VW sind regionale Verfahren wie dieses brisant, den Wolfsburgern drohen möglicherweise zusätzliche enorme Rechtskosten. Bisher hat das Unternehmen über 32 Milliarden Euro dafür ausgegeben oder zurückgelegt.

Der Mittelabfluss hatte sich zuletzt schon verringert – und eigentlich nahm man an, dass durch die Vergleiche mit Behörden, Kunden und Händlern sowie ein strafrechtliches Schuldanerkenntnis gegenüber dem Justizministerium die grössten Brocken bewältigt wären. Jetzt könnten die Karten noch einmal neu gemischt werden, zumal es auch in anderen US-Staaten und -Counties weitere Verfahren gibt.

VW will vors oberste Gericht

Volkswagen strebt eine ergänzende grundsätzliche Klärung an, um sich abzusichern. Man wolle den Fall aus Ohio vor den US-Supreme Court – den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten – bringen, hiess es auf Nachfrage.

Der Konzern ist der Auffassung, dass die Ansprüche einzelner Bundesstaaten durch Strafen und Entschädigungen abgegolten sind, die er bereits wegen Verstössen gegen das Luftreinhaltegesetz «Clean Air Act» hatte zahlen müssen. Zu dieser Einschätzung seien überdies mehrere andere US-Gerichte in ähnlichen Fällen gekommen. So sei etwa auch in Kalifornien ein erfolgreicher Vergleich gelungen.

Aber selbst wenn am Ende zugunsten von VW entschieden werden sollte, dürfte der Richterspruch aus Ohio die Unsicherheit hoch halten. Denn ein Verfahren auf allerhöchster Ebene könnte sich länger hinziehen. Der Aktienkurs des grössten europäischen Autobauers sackte am Mittwoch nach Börsenbeginn in Deutschland zeitweise um mehr als 4 Prozent ab.

Juristischer Flickenteppich droht

VW argumentiert: «Die Forderungen des Bundesstaates Ohio sind durch Bundesrecht ausgeschlossen.» Würde das von den führenden US-Richtern nach weiteren Prüfungen trotzdem anders beurteilt, könne das Ergebnis kaum im Interesse der Behörden und Kunden sein: Ein juristischer Flickenteppich wäre demnach wohl die Folge, mit unterschiedlichen Auslegungen vielleicht bis auf die Ebene einzelner Landkreise.

Dies würde letztlich auch die Fähigkeit der US-Umweltbehörde EPA «ernsthaft beeinträchtigen, Fahrzeug-Emissionen zu regulieren, indem sie den staatlichen und lokalen Regierungen überlappende Befugnisse einräumt». Software-Updates etwa seien in solchem «regulatorischen Chaos» nicht einheitlich möglich – so jedenfalls die Sicht von VW.

Ohios Generalstaatsanwalt Dave Yost interpretiert die Situation anders. «Dies ist eine bedeutende Entscheidung, die dafür sorgen wird, dass Volkswagen für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann», erklärte er. Es sei zwar noch nicht entschieden, wie der Bundesstaat nun weiter vorgehe. Doch das Oberste Gericht von Ohio habe angeordnet, dass die Türen für ein Verfahren geöffnet werden. «Wir werden Gerechtigkeit suchen», kündigte Yost an.

Theoretisch mehr als 1000 Milliarden Busse

Das Richterkollegium in der Hauptstadt Columbus sprach sich mit 6 zu 1 Stimmen dafür aus, dass weitere Strafen ermöglicht werden sollten. Michael Donnelly, der als einziger dagegen war, bezifferte die theoretisch denkbaren Geldbussen auf «mehr als eine Billion Dollar».

VW hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, mit einer speziellen Software ("Defeat Device") jahrelang Abgaswerte von Dieselautos manipuliert zu haben. Die bisher dadurch entstandenen Kosten fielen zu grossen Teilen in den USA an. Es gibt aber auch in Europa und andernorts aussergerichtliche Deals sowie Gerichtsurteile.