Guanziroli am Gericht Zehn Frauen in Zürich missbraucht – bleibt der Täter verwahrt?

Von Silvana Guanziroli

23.8.2019

Der Täter drang in die Wohnungen seiner Opfer ein und forderte, mit einem Messer bewaffnet, Sex von den Frauen.
Der Täter drang in die Wohnungen seiner Opfer ein und forderte, mit einem Messer bewaffnet, Sex von den Frauen.
Keystone

Er drang in die Wohnung seiner Opfer ein, vergewaltigte einige von ihnen brutal. Ein Gutachten attestiert dem Täter auch 15 Jahre danach eine grosse Rückfallgefahr. Wird er trotzdem aus der «kleinen» Verwahrung entlassen?

Der Fall versetzte Zürcher Frauen in den Jahren 2004 und 2005 in Angst und Schrecken. Über Monate stieg ein unbekannter Mann über geöffnete Fenster in fremde Wohnungen ein. Er überraschte die Frauen im Schlaf, bedrohte sie mit einem Messer und zwang sie zu Sex. In einem Fall vergewaltigte er eine Mutter neben ihrer zweijährigen Tochter.

Im August 2005 ging der Täter der Polizei endlich ins Netz. Zehn Frauen hatte er bis dahin bereits angegriffen. Bei jenem Mann handelt es sich um einen Pakistani, der 2003 in der Schweiz eingereist war und als Tellerwäscher gearbeitet hatte. Während des Prozesses 2007 sprach die zuständige Staatsanwältin von einem «selten einsichtlosen und unverbesserlichen Menschen, der nur eines will: Sex.» Und sie warnte: «Die Gesellschaft muss vor dem Angeklagten geschützt werden.»

Gesetzliche Höchstdauer erreicht

Zwölf Jahre später beschäftigt der mittlerweile 34-Jährige Mann erneut die Zürcher Justiz. Seit fünf Jahren befindet er sich in einer stationären Massnahme in der Klinik für Forensische Psychiatrie (KFP) im zürcherischen Rheinau.

Der Sicherheitstrakt der Klinik für Forensische Psychiatrie (KFP) in Rheinau ZH.
Der Sicherheitstrakt der Klinik für Forensische Psychiatrie (KFP) in Rheinau ZH.
Keystone

Doch diese sogenannte «kleine» Verwahrung ist gesetzmässig nur auf fünf Jahre angesetzt. Und diese Höchstdauer ist jetzt erreicht. Das Gericht muss deshalb darüber entscheiden, ob der Mann weiterhin in einer geschlossenen Abteilung bleiben muss oder ob er die Klinik verlassen kann. Das Zürcher Amt für Justizvollzug hat einen Antrag auf Verlängerung gestellt, über den das Bezirksgericht Zürich am Montag befinden muss.

Ursprünglich war der Täter 2008 wegen mehrfacher Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden. Das Gericht ordnete damals zunächst eine ambulante Therapie an. In der Haft verschlechterte sich der Geundheitszustandes des Tellerwäschers  dermassen, dass 2014 eine stationäre Massnahme folgte. Die Klinikärzte verfügten 2017 sogar eine Elektrokampftherapie. Doch auch dieses drastische Mittel habe keinen wesentlichen Erfolg erzielt, wie es im Antrag des Amtes heisst, der «Bluewin» vorliegt.

Gutachterin spricht von paranoider Schizophrenie

In einem neuen Gutachten kommt die zuständige Forensikerin zum Schluss, dass der Mann unter einer paranoiden Schizophrenie leidet. Einer psychischen Störung also, der sie eine hohe Tatrelevanz zuschreibt. Da der Insasse zudem seine Medikamente nur lückenlos einnehme, wenn er engmaschig überwacht wird, empfiehlt sie dringend eine Verlängerung der Massnahme.

Die Personen im Sicherheitsbereich der Klinik können nur in Begleitung an die frische Luft.
Die Personen im Sicherheitsbereich der Klinik können nur in Begleitung an die frische Luft.
Keystone

Unbehandelt geht die Forensikerin von einem «sehr hohen Risiko» aus, dass der Mann «erneut mit Sexualdelikten bis hin zu einer Vergewaltigung mit Gewaltdrohung durch Waffen, Tätlichkeiten und Hausfriedensbruch in Erscheinung tritt».

Was jetzt mit dem 34-jährigen Mann passiert, liegt in den Händen des Bezirksgericht. Sollte er aus der Massnahme entlassen werden und ist die Freiheitsstrafe abgesessen, dann dürfte er unmittelbar in sein Heimatland Pakistan abgeschoben werden.


«Bluewin»-Redaktorin Silvana Guanziroli ist als Gerichtsberichterstatterin an den Zürcher Gerichten akkreditiert. In ihrer Serie «Guanziroli am Gericht» schreibt sie über die spannendsten Strafprozesse, ordnet ausgefallene Kriminalfälle ein und spricht mit Experten über die Rolle der Justiz. Guanziroli ist seit über 20 Jahren als Nachrichtenjournalistin tätig und hat die Polizeischule der Kantonspolizei Zürich absolviert. silvana.guanziroli@swisscom.com.
«Bluewin»-Redaktorin Silvana Guanziroli ist als Gerichtsberichterstatterin an den Zürcher Gerichten akkreditiert. In ihrer Serie «Guanziroli am Gericht» schreibt sie über die spannendsten Strafprozesse, ordnet ausgefallene Kriminalfälle ein und spricht mit Experten über die Rolle der Justiz. Guanziroli ist seit über 20 Jahren als Nachrichtenjournalistin tätig und hat die Polizeischule der Kantonspolizei Zürich absolviert. silvana.guanziroli@swisscom.com.
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