Vor 150 Jahren, am 9. Dezember 1868, wurde in London die erste Verkehrsampel installiert, damals noch gasbetrieben. Sie war ein kolossaler Knaller - im unguten Sinn. Nachdem das Gerät explodiert war und einen Polizisten verletzte, wurde das Projekt ad acta gelegt.
Wozu brauchte es denn auch 1868 schon eine Ampel, wo doch das Automobil erst 1886 patentiert wurde, fragt man sich? Weils den Verkehrsstau schon vor dem Auto gab.
In den 1860er Jahren war London die grösste Stadt der Welt. Ihre damalige Bevölkerungsdichte von etwa 30'000 Menschen pro Quadratkilometer würde sie heute noch auf Platz zwei beim weltweiten Städte-Ranking bringen, nach Dhaka, vor Mogadischu. Neben Epidemien, Luftverschmutzung und überfüllten Slums waren Verkehrsinfarkte die Folge.
1866 starben 1102 Menschen im Londoner Strassenverkehr, 1334 weitere wurden verletzt. Zeit zu handeln, sagte sich John Peake Knight, Superintendent bei der South Eastern Railway. Man könnte doch auch den Strassenverkehr so wie den Schienenverkehr mit Signalen regeln, schlug er der Metropolitan Police vor.
Ein Kreuz für die Kreuzung
Der Ampel-Prototyp, der am 10. Dezember 1868 unweit von Big Ben in Betrieb genommen wurde, sah einem Zugsignal ähnlicher als einer modernen Ampel: Oben auf einem Pfosten waren zwei Arme angebracht. Zeigten sie waagrecht nach aussen, bedeutete das Stopp, waren sie im 45-Grad-Winkel gesenkt, durfte die Kreuzung befahren werden. In der Nacht gaben der besseren Sichtbarkeit halber ein Rot- und ein Grünlicht das Signal.
Das Gerät war zunächst ein Erfolg: Der Verkehr strömte flüssiger. Nur explodierten die Gaslampen häufig. Besonders fatal war ein Knall drei Wochen nach Inbetriebnahme: Wegen eines Lecks füllte sich der Pfosten mit Gas und als ein Polizist abends die Lichter anstellte, verletzte ihn eine Stichflamme schwer. Das Projekt Verkehrsampel war für Jahrzehnte vom Tisch.
Gebrauchsanleitung für eine Lichtanlage
Erst mit der Elektrifizierung der Städte wurde das Konzept weiterverfolgt. Als erstes elektrisches Verkehrssignal gilt dasjenige von James Hoge, das am 5. August 1914 in Cleveland in Betrieb genommen wurde.
Als das erste elektrische Verkehrslicht Europas gilt die 5-eckige Ampel, die 1924 am Potsdamer Platz in Berlin errichtet wurde. Bereits 1926 folgte die erste Ampel der Schweiz in Carouge GE, vorerst nur zum Test.
Eine Sternstunde markierte die Signalanlage, die im Mai 1949 an der Kreuzung Bahnhofstrasse-Uraniastrasse in Zürich eingerichtet wurde. Sie koordinierte Auto-, Tram- und Fussgängerverkehr und war den Leuten derart unvertraut, dass die "NZZ" eine ganzseitige Gebrauchsanweisung dafür veröffentlichte.
Werden Ampeln bald unnötig?
Heute sehen Ampeln zwar noch fast gleich aus wie damals, sind aber so vernetzt, dass sie die Verkehrsströme laufend an die wechselnden Bedingungen anpassen.
Forscher des MIT Senseable City Lab, des Swiss Institute of Technology (ETHZ) und des Italian National Research Council (CNR) haben bereits ein Verkehrskonzept entwickelt, das komplett ohne Ampel auskommt. Dabei vernetzen sich intelligente Kreuzungen mit den Bordcomputern von autonomen Autos.
Bis es soweit ist, verbringen Autofahrer aber durchschnittlich zwei Wochen ihres Lebens wartend vor Lichtsignalen. Denn eine Ampel ist ein grünes Licht, das beim Näherkommen rot wird, wie der Volksmund sagt.
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