Fünf Jahre nach dem Bankrott Das sind die Verlierer von Detroits bemerkenswerter Auferstehung 

Corey Williams, AP

20.7.2018

Seit dem Bankrott vor fünf Jahren geht es bergauf für die Stadt. Die Schulden wurden gedrückt, Investoren kehren zurück, an vielen Ecken der Innenstadt wird gebaut. In den Vororten sieht es jedoch noch etwas anders aus.

Vor fünf Jahren war Detroit am Boden. Nach einem jahrzehntelangen Niedergang konnte die einstige Industriemetropole ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen und meldete als bislang grösste US-Kommune Bankrott an. Der Aufstieg seitdem ist bemerkenswert. Investitionen, neue Arbeitsplätze, wiederbelebte Stadtviertel - und die Strassenreinigung und Beleuchtung funktionieren wieder. Doch nicht alle stehen heute auf der Gewinnerseite.

Jean Estell ist 65 Jahre alt und hat rund 30 Jahre für die Stadt Detroit gearbeitet. 2004 ging sie in Rente. Wie andere Ruheständler hat sie einen Teil ihrer Pension und alle Rückstellungen für die Gesundheitsvorsorge verloren. Das war Teil des Deals mit den Gläubigern. Jetzt fühlt sie sich im neuen Detroit allein gelassen.

«Ich bin glücklich, dass es uns besser geht», sagt sie. «Aber es wäre schön, wenn man irgendwo etwas Geld auftreiben könnte, um uns unser Geld zurückzugeben. Zumindest einen Teil davon.» Ihre Rente ist nur um gut 60 Dollar gesunken. Aber die Kosten für die Gesundheitsversorgungen, für die sie nun vollständig allein aufkommen muss, setzen ihr zu. Deswegen gehe sie auch nicht so oft zum Arzt, wie es ihre angegriffene Gesundheit eigentlich erfordert. «Man wird krank, und man steht es durch», sagt sie.

James McTevia, Sanierungsexperte beim Finanzunternehmen McTevia & Associates in Detroit, erinnert daran, wo die Stadt vor fünf Jahren stand. Es könnte schlechter stehen um die rund 670 000 Bewohner, sagt er. «Bevor Detroit Gläubigerschutz beantragt hat, um seine Finanzprobleme zu lösen, waren die Bürger, um die es hauptsächlich geht, in einer weit schlechteren Situation als heute», sagt er. Es habe Probleme bei der Wasserversorgung gegeben, beim Abwasser, beim Müll und bei der Sicherheit. «Die Bürger haben nicht die Dienste bekommen, die sie gebraucht haben», sagt er.

Als der vom Staat beauftragte Notfallmanager Kevyn Orr am 18. Juli 2013 die Notbremse zog und Gläubigerschutz beantragte, waren die meisten Strassen seit rund drei Jahren nicht mehr gereinigt worden. Die Stadt war dabei, Tausende leerstehende Häuser abzureissen. Mehr als eine Million Menschen hatten Detroit in einem gewaltigen Exodus verlassen, der in den 50er Jahren eingesetzt hatte.

Wegen der gesunkenen Steuereinnahmen sah sich Detroit mit langfristigen Verbindlichkeiten in Höhe von 14 Milliarden Dollar konfrontiert. Das Haushaltsdefizit betrug 327 Millionen Dollar. Städtischen Beschäftigten, darunter Polizisten und Feuerwehrleute, wurde der Lohn gekürzt. Andere wurden in unbezahlten Urlaub geschickt.

2014 hatte Detroit die Insolvenz überstanden. Von der Schuldenlast waren rund sieben Milliarden Dollar abgetragen oder umgeschuldet. Die Stadt musste einem strengen Ausgabenplan folgen, konnte drei ausgeglichene Haushalte hintereinander vorlegen und sogar noch Barreserven aufbauen.

Einige Wochen nach der Entlassung aus der staatlichen Zwangsverwaltung stufte die Ratingagentur Moody's Detroits Kreditwürdigkeit in diesem Frühjahr nach oben - es war bereits die dritte Aufwertung in weniger als drei Jahren.

«Seit Detroit den Bankrott überwunden hat, wurden Milliarden von Dollar hier in Detroit investiert», sagt McTevia. Die Menschen hätten Vertrauen gewonnen. «Wenn man heute nach Detroit geht, ist das eine andere Stadt als vor fünf Jahren. Es ist ein anderes Image, eine lebendige Stadt.»

Fred's Key Shop ist eine Schlosserei im Zentrum, die sich seit mehr als 50 Jahren in Familienbesitz befindet. Dort profitiert man vom Aufschwung. «Wir haben so viel zu tun wie nie», sagt Büroleiter Bryan Knoche. «Mehr Menschen ziehen ins Stadtzentrum, das heisst mehr Geschäft. Auch gab es dort vor fünf Jahren keine schicken Restaurants. Es fliesst eine Menge Geld hier in die Gegend, die Menschen kommen aus New York und Los Angeles.»

An Steve Brown ist der Aufschwung dagegen bislang vorbeigegangen. Früher habe er 15 Angestellte gehabt und für die Stadt Strassen saniert, berichtet er. Jetzt arbeitet der 58-Jährige im Fuhrunternehmen seines Vaters. Die Aufträge für die Stadt und damit der Grossteil seiner Arbeit endeten mit dem Bankrott der Kommune.

Er habe danach überlegt, sich auf den Abriss von Gebäuden zu verlegen. Aber niemand habe ihm einen Kredit gegeben, den er für neue Maschinen gebraucht hätte. «Ich hatte nicht genug Geld, um so zu beginnen, wie ich das gerne getan hätte», sagt er.

Grosse Teile der Innenstadt erstrahlen mittlerweile in neuem Glanz. Seit vergangenem Jahr gibt es wieder eine Strassenreinigung. Tausende neuer Strassenlaternen wurden in Betrieb genommen. Investoren bauen Hunderte neue Häuser und Wohnungen im Zentrum oder renovieren alte Gebäude. Und auch Polizei und Krankenwagen kommen mittlerweile wieder schneller, wenn es einen Notruf gibt.

Aber in den heruntergekommenen Stadtteilen etwas ausserhalb ist noch Luft nach oben. Alice Holland lebt in Brightmoor. Auch dort werde mittlerweile wieder der Rasen auf freien Grundstücken gemäht, sagt sie. Aber der illegal abgeladene Müll sei weiter ein Problem. Bei Regen und Unwettern werde er in die Gullys gespült, die dann verstopfen. «Sie sehen mich, wie ich meinen Stock nehme und die Abflüsse sauber mache», sagt sie. «Ich mag die Stadt und was hier passiert. Ihr könnt die Innenstadt in Ordnung bringen. Aber bringt die anderen Stadtteile auch in Ordnung.»

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