Negativpreise für Erdöl Ein perfekter Sturm bringt den US-Ölmarkt in grösste Not

tjb/dpa

21.4.2020

US-Ölpreis erstmals im Minus

US-Ölpreis erstmals im Minus

Der US-Ölpreis ist am Montag erstmals ins Minus abgerutscht. Verkäufer mussten sogar Geld zahlen, damit jemand ihnen das Öl abnimmt. Das gab es noch nie!

21.04.2020

Anstatt für Öl zu bezahlen, erhielt am Montag vorübergehend bis zu 40 Dollar, wer ein Fass des Rohstoffs abnahm. Die Corona-Krise stürzt vor allem Ölproduzenten in den USA in grosse Probleme.

Am Montagabend kam es zu einer denkwürdigen Premiere: Erstmals wurden Terminkontrakte für Erdöl zu negativen Preisen angeboten. Wer texanisches Erdöl für die Lieferung im Mai übernahm, erhielt für kurze Zeit zusammen mit einem Fass Öl auch eine Auszahlung von bis zu 40 Dollar. Es war das erste Mal seit der Einführung solcher Terminkontrakte, dass der Preis unter null fiel.

Die Corona-Krise setzt auch dem Ölpreis massiv zu: Derzeit wird massiv weniger Flugbenzin verbraucht, und auch Autofahrer sind viel weniger unterwegs als normal. Zwar haben die ölproduzierenden Staaten erst vor gut einer Woche beschlossen, deutlich weniger Öl aus dem Boden zu holen – doch die Nachfrage ist noch stärker eingebrochen.

Lagerkapazitäten werden knapp

Dass die Terminkontrakte plötzlich derart unter Druck gerieten, hat aber noch weitere Gründe: Die Ölproduzenten wissen langsam aber sicher nicht mehr, wo sie ihren Rohstoff noch lagern können. Derzeit wird eine wachsende Zahl von Tankern als schwimmende Lagerstätten verwendet, anstatt dass die Schiffe das Erdöl durch die Welt transportieren.



Terminkontrakte sind immer eine Wette auf die Zukunft: Ein Händler bezahlt den Preis für das Öl schon, bevor es überhaupt gefördert wird. Dabei verlässt er sich auf seine Einschätzung, wie gefragt die Ware zum Liefertermin dann tatsächlich sein wird. Zudem ist der Handel mit solchen Papieren bei Spekulanten beliebt, die nur an Kursgewinnen interessiert sind, am eigentlichen Rohstoff aber gar nicht.

«Nie gedacht, dass ich diesen Tag erlebe»

Der dramatische Einbruch bei der Nachfrage, wie ihn die Corona-Krise nun auslöst, kam für die Händler offenbar überraschend. Ausserdem laufen die Kontrakte für Mai heute ab, der Montag war der letzte Handelstag dafür.

Nach dem historischen Verfall vom Vortag zeichnet sich inzwischen wieder eine Beruhigung ab: Der Preis für amerikanisches Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Juni lag in den frühen Handelsstunden am Dienstag bei gut 21 Dollar. Auch der Mai-Terminkontrakt, der am Montag bis auf minus 40.32 Dollar gefallen war, drehte zum Schluss wieder ins Plus und kostete zuletzt etwas mehr als einen Dollar.

Selbst abgebrühte Finanzprofis zeigten sich angesichts der extremen Marktsituation am Montag perplex. «Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erlebe, an dem Öl so niedrig handelt», erklärte Neil Wilson vom Finanzdienstleister Markets.com.

In den USA droht ein grosser Jobverlust

US-Präsident Trump will die derzeitige Situation nun nutzen, um strategische Ölreserven der USA aufzufüllen. Es sei geplant, bis zu 75 Millionen Fässer Rohöl zu kaufen, sagte er am Montagabend. Er werde den Kongress um die nötigen Mittel bitten, damit sich die Regierung den «Niedrigpreis-Rekord» am Ölmarkt zunutze machen könne.

Dabei dürfte Trump aber Hintergedanken haben: Viele US-Ölproduzenten holen den Rohstoff mit Fracking aus dem Boden, einer vergleichsweise teuren Fördertechnik. Das lohnt sich aber nur bei deutlich höheren Ölpreisen. Mit dem Geld, das sie derzeit für ihr Produkt erhalten, können sie ihre Kosten nicht mehr decken. Müssen sie ihre Produktion darum nun einstellen, droht der Verlust von Zehntausenden von Arbeitsplätzen im wichtigen US-Ölsektor.

Chronologie der Corona-Krise
Zurück zur Startseite