Energie aus Dietikon statt Russland Erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz startklar

sda/amo

29.4.2022 - 12:26

Power-to-Gas: Erste industrielle Anlage der Schweiz eröffnet

Power-to-Gas: Erste industrielle Anlage der Schweiz eröffnet

In Dietikon wurde die erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz eingeweiht. Aus Klärgas und mit Strom aus der Kehrichtverbrennungsanlage wird erneuerbares Gas produziert. Diese Technologie soll einen Beitrag zur Energiewende und dem Klimaschutz leisten.

29.04.2022

Gas aus Schweizer Abfall und Wasser statt aus Russland: Mitte Mai geht in Dietikon ZH die erste industrielle Power-to-Gas-Anlage der Schweiz in Betrieb.

29.4.2022 - 12:26

Alternative Gasquellen sind angesichts des Ukraine-Kriegs und der Abhängigkeit Europas von russischem Gas heiss begehrt. «Es ist entscheidend, dass die Schweiz unabhängiger wird von ausländischem Erdgas», sagte Benoît Revaz, Direktor beim Bundesamt für Energie (BFE), laut Mitteilung an der Einweihungsfeier am Freitag. Die Anlage zeige, dass die Produktion von erneuerbarem Gas hierzulande möglich sei.

Betrieben wird die 14 Millionen Franken teure Anlage vom Regiowerk Limeco, das im Limmattal eine Kläranlage, eine Kehrichtverwertungsanlage und ein Fernwärmenetz betreibt. Das Besondere ist, dass für die Gasproduktion einerseits überschüssiger Strom aus der Müllverbrennung genutzt wird sowie andererseits Klärgas aus der Abwasserreinigung.

Während der Elektrolyse wird mit dem Strom aus Wasser Wasserstoff gewonnen. Der Wasserstoff wird wiederum in einem Bioreaktor mit dem CO2 im Klärgas aus der Abwasserreinigung zu Methangas. Anschliessend wird das «grüne» Gas, das chemisch gleich zusammengesetzt ist wie Erdgas, ins Gasnetz eingespeist.

Limeco hat das Projekt 2020 in Zusammenarbeit mit acht Energieversorgern gestartet, die sich für 15 Jahre verpflichtet haben, das Gas abzunehmen. Partner ist zudem auch Swisspower, ein Stadtwerke-Verbund, zu dem auch Limeco selbst gehört. Ende März sei im Probebetrieb bereits erstmals Gas ins Netz eingespeist worden.

Gas lässt sich besser speichern

Gas lässt im Vergleich zu Strom besser speichern. Mit der so genannten Power-to-Gas-Anlage könne Strom in Form von Gas im Sommer für den Winter gespeichert werden, sagte Limeco-Geschäftsführer Patrik Feusi. Denn in der kalten Jahreszeit ist der der Bedarf höher. Bei einem Angebotsüberschuss im Sommer, wenn der Stromnetzbetreiber Swissgrid Marktteilnehmer anfragt, die Stromeinspeisung zu drosseln, werde bei Limeco derzeit noch Strom in den Kühltürmen «verbrannt».

Die Power-to-Gas-Anlage hat eine Elektrolyse-Leistung für die Wasserstoffproduktion von 2,5 Megawatt und produziert rund 18'000 Megawattstunden synthetisches Gas pro Jahr. Es gebe keine vergleichbare Anlage nach diesem Prinzip und in der Grösse, hiess es.

Verdienen wolle Limeco an der Gasproduktion nichts. Der Verkauf erfolge zu Gestehungskosten, um den Preis nicht künstlich hochzutreiben. Ziel sei es zu beweisen, dass die Technologie funktioniere und dass sie industriell wirtschaftlich sein könne. Mit wirtschaftlich sei dabei gemeint, dass die Kosten ohne Subventionen gedeckt würden, sagte Limeco-Chef Feusi.

So schnell dürfte das Konzept wohl aber nicht flächendeckend von anderen Müllverbrennungsanlagen kopiert werden. In einem Markt mit sehr hohen Strompreisen sei es nicht das Naheliegendste, Strom in Gas umzuwandeln, räumte Thomas Peyer von Swisspower ein.

Sollte aber der Ausbau der Solarenergie in der Schweiz wie geplant vorankommen, und es in sehr sonnigen Zeiten vor allem im Sommer regelmässig zu einem Angebotsüberschuss kommen, dürfte sich das ändern. Dann könne er sich vorstellen, dass andere dem Beispiel folgen werden. Power to Gas stehe noch am Anfang, aber das Projekt sei ein Meilenstein.

Preise wegen Krieg in der Ukraine gestiegen

Bereits heute importiert die Schweiz im Winter Strom aus dem angrenzenden Ausland. Und ab 2025 könnte es laut der Regulierungsbehörde Elcom in der kalten Jahreszeit zu Engpässen kommen. Die Energiestrategie 2050 des Bundes sieht vor, den Strom aus Atomkraft durch Solar-, Wasser- und Windkraft zu ersetzen.

Die Strompreise hatten sich bereits im vergangenen Jahr merklich verteuert, und sind im Zuge des Kriegs in der Ukraine auf nie gesehene Niveaus explodiert. Treiber ist dabei die Angst vor einem europäischen Energie-Embargo gegen Russland oder vor einer Einstellung der Gaslieferungen vonseiten Russlands selbst. Auch die Gaspreise sind massiv gestiegen.

sda/amo