Käse ist schuld Haferdrink läuft der Kuhmilch noch nicht den Rang ab

SDA

11.6.2022 - 20:00

Auf Kuhmilch zum Trinken verzichten immer mehr Schweizer*innen. Dem Käse können aber viele nicht widerstehen.   
Auf Kuhmilch zum Trinken verzichten immer mehr Schweizer*innen. Dem Käse können aber viele nicht widerstehen.   
Keystone/Gaetan Bally

Jahrzehntelang hatte Kuhmilch etwa als Schulmilch einen guten Ruf. Heute schlürfen viele Hipster in den Cafés von Basel, Bern oder Zürich lieber einen Haferdrink-Cappuccino. Der Milchkonsum pro Kopf blieb in der Schweiz bisher trotzdem stabil – dank des hierzulande heiss geliebten Käses.

Keystone-SDA

In der Wirtschaftswunderzeit spiegelte sich die Wertschätzung im Werbeslogan «Milch macht müde Männer munter» wider und in den 80er Jahren in der Parole «Die Milch macht's», die kaum jemand in Frage stellte. Milch galt als besonders gesund, als gut für die Knochen zum Beispiel wegen eines hohen Kalziumgehalts.

Heute dagegen hört man öfter, dass Leute sie nicht vertragen oder dass sie grundsätzlich bezweifeln, dass der Kälbertrank Menschen oder dem Klima guttue. Stichwörter: Laktose-Intoleranz, Tierwohl, Methan-Ausstoss. Verbunden mit einem Trend zu mehr vegetarischer Ernährung boomen daher die Milchersatzprodukte wie Hafer-, Reis-, Mandel- oder Sojadrink.

Börsengang von Oatly

2021 ging der schwedische Hafermilchhersteller Oatly gar mit viel Trara an die Börse. Auf den Hype folgte allerdings die Ernüchterung. Seit dem Gang aufs öffentliche Parkett der Nasdaq hat die Aktie rund drei Viertel ihres Werts verloren und kostet aktuell noch rund 4 US-Dollar.

Trotz des vielleicht übertrieben Hypes um den Haferdrink-Produzenten aus dem hohen Norden geht der Konsum von Milch pro Kopf zurück. In Deutschland etwa sank er im vergangenen Jahr auf nur noch 47,8 Kilogramm (minus 2,2 Kilogramm).

Das ist der niedrigste Milchverbrauch seit Beginn der gesamtdeutschen Statistik im Jahr 1991. 1995 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von deutscher Konsummilch (was Vollmilch, entrahmte, teilentrahmte sowie Vorzugsmilch umfasst) noch bei knapp 62 Kilogramm.

Auch in der Schweiz geht die getrunkene Konsummilch pro Kopf stetig zurück. 2011 lag man hierzulande noch bei etwa 60 Kilogramm. 2020 waren es noch deren 50, wie aus Zahlen der Schweizer Milchproduzenten SMP hervorgehen.

Dem Interessenverband der Branche bereitet dies allerdings kein Kopfzerbrechen. «Man darf den Milchkonsum nicht allein auf die getrunkene Milch reduzieren», erklärt Sprecher Reto Burkhardt auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Betrachte man den gesamten Milchverbrauch pro Kopf, so sei dieser in der Schweiz stabil.

Schweizer lieben Käse

Grund hierfür ist etwa die Liebe von Herr und Frau Schweizer für Käse. Ob Appenzeller oder Emmentaler: der Konsum von Käse stieg von 8,4 Kilogramm pro Kopf im Jahr 1950 auf 19,0 Kilogramm im Jahr 2000 und stand 2021 bei über 23 Kilo.

Der gesamte Milchverbrauch pro Kopf und Einwohner der Schweiz lag 2021 insgesamt bei 362 Kilo. Mit Blick nach vorne gibt man sich beim Verband daher auch optimistisch, dass der Gesamtverbrauch von Milch stabil bleiben werde. Die Milchproduktion im Gras- und Wasserland Schweiz sei «absolut standortgerecht und sinnvoll», so der SMP.

Die Schweizer*innen lieben Käse.
Die Schweizer*innen lieben Käse.
Christin Klose/dpa-tmn

Auf den Geschmack von Milchalternativen gekommen ist allerdings auch die Industrie. Etwa der Milchverarbeiter Emmi. Das Innerschweizer Unternehmen produziert unter der Marke Beleaf pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten.

Der Umsatz liegt aktuell noch im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Doch die Nachfrage zieht an. Emmi rechnet mittelfristig mit Wachstumszahlen von jährlich bis 20 Prozent.

Auch Nestlé mischt mit

Auch der Milchverarbeiter Hochdorf möchte nicht mehr so stark vom Rohstoff Milch abhängig sein, wie Geschäftsführer Ralph Siegl unlängst in einem Interview mit AWP ausführte. Hochdorf solle vom reinen Milchverarbeiter-Image wegkommen und sich stärker als Spezialist für besondere Ernährungsbedürfnisse positionieren.

Auf Ersatzprodukte setzten schliesslich auch die grossen Konzerne. So mischt Nestlé mit verschiedenen Marken mit. Aktuell macht der Lebensmittelgigant mit Fleisch- und Milch-Alternativen einen Umsatz von 800 Millionen Franken – Tendenz steigend.

Dem Unternehmen bereiten ausserdem die Emissionen bei Milchproduktion Kopfzerbrechen. Das Unternehmen will bei der landwirtschaftlichen Versorgungskette ansetzen, um seine CO2-Reduktionsziele zu erreichen, wie es diesen Mittwoch angekündigt hatte.

Gemäss der Mitteilung hat Nestlé weltweit rund 100 Pilotprojekte lanciert, in denen die Emissionen verringert, Wasserressourcen geschont und die regenerative Landwirtschaft gefördert werden soll. Das Unternehmen baut zudem Forschungshöfe auf, um dort neue Lösungen zu testen, die dann auf Referenzhöfe übertragen werden.

Pflanzliche Proteine als Wachstumsmarkt

Fragt man Analysten und Branchenkenner, so ist für diese klar: Pflanzliche Proteine – verwendet als Milch- oder Fleischersatz – sind ein wachsender Milliarden-Markt. Gemäss einem Report des Analysedienstes Bloomberg Intelligence etwa dürfte der Markt an pflanzlichen Proteinen bis 2030 auf ein Volumen von 162 Milliarden US-Dollar (155 Milliarden Franken) steigen. Das wäre eine Verfünffachung innerhalb eines Jahrzehnts.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Studie der auf alternative Proteine spezialisierten Investmentgesellschaft Blue Horizon. Diese rechnet vor, dass Fleisch- und Milchersatzprodukte bis 2035 11 Prozent des Marktes ausmachen werden. Aktuell sind es rund 2 Prozent.

Ob dies dann nicht doch negative Auswirkungen auf den Milchverbrauch pro Kopf haben wird – auch im Käseland Schweiz – bleibt somit abzuwarten.