Hip bei der Jugend Juul rollt Tabakmarkt auf: Das iPhone der E-Zigaretten erhitzt die Gemüter

phi

24.7.2018

Kein USB-Stick, sondern eine E-Zigarette: Juul gibt sich im Werbesujet juvenil und modern.
Kein USB-Stick, sondern eine E-Zigarette: Juul gibt sich im Werbesujet juvenil und modern.
Bild: Juul

Juul ist der Dampfmacher unter den E-Zigaretten: Dank eines Designs à la iPhone und einem Prinzip wie bei den Nespresso-Kapseln hat der Vaporizer den US-Tabakmarkt auf den Kopf gestellt. Gerade Jugendliche haben Juul für sich entdeckt, doch vor dem Sprung nach Europa haben in den USA mehrere Kunden Klage eingereicht.

Bevor sich Pax Labs anschickte, den US -Markt aufzumischen, waren E-Zigaretten nicht besonders schick.  Doch das Start-up änderte kurzerhand die Spielregeln: Deren Juul-Vaporizer kommen einerseits in einer modernen Aufmachung daher, die gerade bei Jugendlichen gut anzukommen scheint, wie ein Blick in die sozialen Medien beweist. Das «Men's Journal» zieht einen Vergleich, der die Bedeutung des neuen Designs für den Erfolg des Produkts erahnen lässt: «Die meisten Leute haben sich erst ein Smartphone gekauft, als das iPhone herauskam.»

Juul ist aber nicht bloss das iPhone unter den E-Zigaretten, sondern hat noch zwei weitere Trümpfe, welche die Dampfstengel so populär gemacht haben, dass sie in nur drei Jahren 68 Prozent Marktanteil in den USA erobern konnten. Der Siegeszug könnte nun jedoch empfindlich gebremst werden: US-Gerichte haben die ersten Klagen gegen Juul angenommen. Der Grund: Der Vaporizer habe die Sucht der Konsumenten verstärkt, statt eine Alternative zur Zigarette zu bieten. Doch der Reihe nach. 

16 Mal mehr Nikotin als in herkömmlichen Zigaretten

Neben dem iPhone hat sich Pax Labs auch von Nespresso beeinflussen lassen: Statt eines nachfüllbaren Tanks kaufen sich Kunden Kapseln mit dem eLiquid, das sie verdampfen. Diese Patronen kommen in bunten Farben mit kleinem Sichtfenster und in verschiedenen Geschmacksrichtungen daher, doch in einer Sache gleichen sie sich: Die Kapseln haben samt und sonders einen etwa 16-fach höheren Nikotingehalt als herkömmliche Zigaretten.

Das dürfte der dritte ausschlaggebende Grund dafür sein, dass die Kunden derart treu bei der Stange bleiben. Juul verdient dann auch nur 54 Prozent seines Geldes mit den Geräten selbst, weiss die «NZZ am Sonntag». Der restliche Umsatz geht auf das Konto des Kapsel- und Zubehör-Verkaufs.

Juul bald 15 Milliarden Dollar wert

Das Nespresso-Prinzip und das iPhone-Redesign haben den Wert der Marke seit der Gründung 2015 in schwindelerregende Höhen steigen lassen, so dass der Mutterkonzern Pax Labs 2017 aus Juul ein eigenständiges Unternehmen machte, das gerade 1,2 Milliarden Dollar bei Investoren einsammelt, um den Markt in Europa aufzurollen. Juul wird dann 15 Milliarden Dollar wert sein – und kostet damit beispielsweise nur eine Milliarde weniger als Snap, das Unternehmen hinter dem Messenger Snapchat.

Dabei sind die Umsätze noch ausbaufähig: 2017 sollen es 245 Millionen Dollar gewesen sein, doch für dieses Jahr werden schon 940 Millionen Dollar erwartet. Und wenn es nach den Experten geht, ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Laut «NZZ am Sonntag» wird der Anteil der E-Zigaretten am 100 Milliarden Dollar schweren US-Tabakmarkt von aktuell 4,5 Prozent in den kommenden vier Jahren auf 15 Prozent steigen.

Eine Analystin von Wells Fargo Securities hat gerade die eigene Prognose nach oben geschraubt: Bonnie Herzog korrigierte den erwarteten E-Zigaretten-Umsatz von 5,1 auf 5,5 Milliarden Dollar nach oben. 3,5 Milliarden davon entfallen alleine auf den Handel mit Patronen und Nachfüll-Flüssigkeiten. Bei Juul kostet das Gerät 50 Dollar und eine Patrone rund 16 Dollar.

«To juul» als neues Verb etabliert

Doch die Alternative zum Glimmstengel hat auch ihre Schattenseiten. Zum einen sind auch E-Zigaretten gesundheitlich nicht unbedenklich, legen ältere und neuere Studien nahe. Andererseits steht gerade Juul in der Kritik, weil der hohe Nikotingehalt die Suchtwirkung verstärkt. Dabei wissen einer Umfrage zufolge 63 Prozent der Kunden nicht einmal, dass das Produkt Nikotin enthält. Das ist umso verheerender, als dass die Marke bei Jugendlichen extrem populär ist: «To juul» hat sich als Begriff für das dampfen von E-Zigaretten in den USA bereits fest etabliert. 

Und genau deshalb regt sich nun Widerstand gegen die schöne neue Vaporizer-Welt: Während die Firma den Sprung nach Europa wagen will, sind in den USA die ersten drei Klagen gegen das Unternehmen eingereicht worden, berichtet Wired. Die Vorwürfe von zum Teil minderjährigen Kunden aus Kalifornien und New York: Juul habe sie mit seinem hohen Nikotingehalt hochgradig abhängig gemacht. Auch die US-Behörden sind bereits alarmiert und nehmen das Unternehmen ins Visier, ergänzt die «New York Times». Nicht zuletzt warnen auch auf YouTube Juul-Kunden andere vor den Gefahren des Rauchgeräts, wie folgendes Video zeigt.

Von den 1,2 Milliarden Dollar für die Eröffnung eines Europa-Geschäfts hat Juul Anfang Juni gut die Hälfte der Investitionssumme eingesammelt. Wer nicht will, dass auf Schweizer Schulplätzen zukünftig im grossen Stil die Köpfe rauchen, kann offenbar nur noch hoffen, dass Juul dieses monetäre Ziel verfehlt.

Update 19. August 2018: Juul bereitet offenbart den Launch in der Schweiz vor: Auf dem Internetportal Angel List, das auf Jobs für Start-ups spezialisiert ist, sucht Juul einen Kommunikations- und PR-Manager für die Schweiz. Der soll die Marke Juul in «Schlüssel-Publikationen und einflussreichen Blogs» bekannt machen und PR-Kampagnen entwickeln. Offiziell will Juul den Schweizer Markteintritt nicht bestätigen, doch ein Sprecher sagte der «Sonntagszeitung»: «Nach dem Start in Grossbritannien evaluieren wir weitere Märkte in ganz Europa, inklusive der Schweiz.»

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