Pharmaunternehmen Mauschelei mit Stimmzetteln – SRF überführt Novartis mit Peilsender

gusi

27.3.2019

Daten eines GPS-Senders zeigen, dass Novartis die Wahlzettel von Aktionären umleitete. (Symbolbild)
Daten eines GPS-Senders zeigen, dass Novartis die Wahlzettel von Aktionären umleitete. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Die SRF-Sendung «Rundschau» setzt für eine Recherche einen Peilsender ein. Damit gelingt es dem TV-Format, den Weg des schriftlich abgegebenen Stimmzettels für die Novartis-Generalversammlung nachzuzeichnen.

Und dieser Weg deckt für das Pharmaunternehmen einen unangenehmen Umstand auf: Der Umschlag landete nicht beim unabhängigen Stimmrechtsvertreter für die Generalversammlung. Vielmehr gelangte er in ein Postfach im Bahnhof Basel und von dort direkt auf den Novartis-Campus. Laut SRF wurde die Post im Keller des Gebäudes Forum 1 geöffnet.

Doch der Reihe nach. Für einen Beitrag, der heute Abend ausgestrahlt wird, hat sich ein «Rundschau»-Reporter eine Novartis-Aktie gekauft. Daraufhin nahm er sein Stimmrecht an der GV schriftlich wahr, was die Mehrzahl der Aktionäre in der Regel so macht.

Im Rahmen der Recherche gelangten aber nicht nur die Stimmunterlagen ins Couvert. Die SRF-Redaktion legte noch ein Minipeilgerät bei.

Werden Informationen missbräuchlich verwendet?

Nun stellt sich die Frage: Können die Unterlagen von Novartis-Mitarbeitern missbraucht werden? Denn, wer schon im Voraus weiss, wie gewählt und gestimmt wird, kann seinen Informationsvorsprung nutzen. So können für eigene Positionen noch Aktionäre gewonnen oder beeinflusst werden. Zudem ist durch die Novartis-Praxis das Stimmgeheimnis bedroht: Auf den Abstimmungsbögen ist der Name des Aktionärs gedruckt.

Rechtsanwalt Peter Andreas Zahn, gewählt als unabhängiger Stimmrechtsvertreter der Novartis-Aktionäre, rechtfertigt das Vorgehen in der «Rundschau» mit einem «grossen logistischen Aufwand (…), der die verfügbare Kapazität einer Anwaltskanzlei sprengt».

Eine zu einfache Erklärung, finden Experten. Rechtsanwalt Rudolf Schwager betont im TV-Betrag die Wichtigkeit der Unabhängigkeit: «Der Stimmrechtsvertreter muss deshalb von der Gesellschaft selbst, den Gesellschaftsorganen, Grossaktionären, Stimmrechtsberatern etc. unabhängig sein, wobei auch kein Anschein von Abhängigkeit bestehen darf.»

Novartis sieht in dem Vorgehen kein Fehlverhalten: Die rund 30'000 Antwortcouverts würden bei Novartis «von hierfür rekrutierten pensionierten Mitarbeitenden geöffnet und verar­beitet», erklärt der Konzern. «Dieses Vorgehen entspricht geltendem Recht und beeinträchtigt die Unabhängigkeit des unabhängigen Stimmrechtsvertreters nicht, weil die Auszählung unter seiner Aufsicht erfolgt.» Dennoch fügt der Konzern im «Tages-Anzeiger» an: «Wir werden die Hinweise der ‹Rundschau› in eine mögliche Verbesserung der Prozesse einfliessen lassen.»

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