Coronavirus Messeneuheiten werden online gezeigt

AP

5.3.2020

Unzählige Branchenevents mussten schon wegen des Coronavirus abgesagt werden.
Unzählige Branchenevents mussten schon wegen des Coronavirus abgesagt werden.
Jens Meyer/AP/dpa (Archivbild)

Unzählige Branchenevents mussten schon abgesagt werden, der wirtschaftliche Schaden durch den Coronavirus ist enorm. Insbesondere kleinere Unternehmen verlieren zum Teil ihre einzige Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen. Auch die Schweiz trifft es hart.

Wein und Gin, Jagdgewehre und Messer, moderne Kunst und teure Sportwagen — diese und andere Dinge hätten aktuell auf internationalen Messen zu sehen sein sollen. Doch das neue Coronavirus hat die Pläne der Veranstalter vereitelt. Enger Kontakt zwischen Tausenden Besuchern aus aller Welt würde die Ausbreitung womöglich weiter beschleunigen. Dutzende Mega-Events wurden daher verschoben oder gleich ganz gestrichen.

Einige betroffene Aussteller haben ihr Messeprogramm kurzerhand ins Internet verlegt. Wer hinreichend begehrte Produkte hat, dürfte schliesslich auch mit virtuellen Shows die erhoffte Aufmerksamkeit erregen. Für viele Anbieter seien direkte Begegnungen mit Kunden und Geschäftspartnern aber unerlässlich, meinen Marketingexperten und Manager. In den Messestädten haben derweil auch Hotels, Restaurants und Taxifahrer Einbussen zu beklagen.

Der Genfer Auto-Salon ist eine der vielen Fachmessen, die in diesen Wochen eigentlich die Tore öffnen sollten. Stattdessen wurden die Neuheiten vieler Hersteller am Dienstag online enthüllt: In einer digitalen Pressekonferenz stellte BMW von München aus ein neues Elektroautokonzept vor; ähnliche Präsentationen wurden unter anderem von Daimler und VW ins Internet gestreamt.



Die Messe in Genf, die zu den international wichtigsten der Automobilbranche zählt, musste abgesagt werden, weil die örtlichen Behörden derzeit keine Veranstaltungen mit mehr als tausend Teilnehmern zulassen. Das Verbot war ausgesprochen worden, nachdem auch in der Schweiz erste Erkrankungen mit dem neuen Coronavirus aufgetreten waren. Weltweit haben sich bereits mehr als 90 000 Menschen mit dem neuen Virus infiziert. Die Gesamtzahl der Todesopfer liegt bei etwa 3100.

Einige Automobilkonzerne hatten anlässlich des Auto-Salons ohnehin auch Online-Präsentationen vorbereitet, um auf diese Art auch über die Sozialen Medien möglichst viele Kunden zu erreichen. Als echter Ersatz für einen Messestand taugen diese nach Einschätzung von Experten aber nicht. Es gehe bei den Messen nicht nur um Verkäufe, sagt Gernot Gehrke von der Hochschule Hannover. Bei vielen Produkten komme es darauf an, dort den Aufbau einer «Community» zu stützen.

Um auf einer wichtigen Messe präsent zu sein, müssen Unternehmen die Gebühren für ihre Ausstellungsfläche meist im Voraus bezahlen. Im Falle einer kurzfristigen Absage wegen eines gesundheitlichen Notstands ist das Geld dann oft verloren. Auch ausserhalb der eigentlichen Messe gibt es Ausfälle: Durch die vielen Besucher hätte der diesjährige Auto-Salon der Region Genf laut Berechnungen Einnahmen von etwa 225 Millionen Euro bescheren können. «Das ist für alle ein dramatischer Verlust», sagt Messedirektor Oliver Rihs.

Auch in Deutschland sind internationale Messen für die jeweiligen Gastgeberstädte ein massgeblicher Wirtschaftsfaktor. Bundesweit geben Aussteller und Besucher rings um die Messestandorte jedes Jahr 14,5 Milliarden Euro aus und sichern damit etwa 230'000 Arbeitsplätze, darunter 100'000 Vollzeitstellen. Vor wenigen Tagen gab die Messe Düsseldorf bekannt, die «ProWein 2020» und mehrere weitere unmittelbar bevorstehende Großveranstaltungen vorerst auszusetzen. Ähnliche Nachrichten gab es aus anderen wichtigen Messestädten — in Nürnberg etwa wurde eine Fachmesse für Jagdwaffen auf September verschoben.

Die Kunstmesse Art Basel zog nach der Absage des diesjährigen Ablegers in Hongkong die Premiere eines Digitalprojekts vor: Ende März sollen sich Galerien, die für die Veranstaltung akkreditiert waren, in Online-Schauräumen umsehen können. Während ein solches Konzept für Kunstkenner funktionieren mag, stössst die Vorstellung einer rein virtuellen Messe in anderen Branchen allerdings auf Skepsis.

Ebenfalls in der Schweiz wurden gerade auch zwei international wichtige Messen für Luxusuhren abgesagt — die Baselworld und die Watches & Wonders in Genf. Hierbei sei es ganz entscheidend, die ausgestellten Produkte auch einmal in den Händen halten und befühlen zu können, sagt Roberta Naas, die mehrere Bücher über die Branche geschrieben hat. Erst dadurch könnten die Kunden ein Gespür für die «unglaublichen Meisterwerke» bekommen.



In San Francisco wurde vergangene Woche die eigentlich für Mitte März anberaumte Game Developers Conference verschoben. Zuvor hatten mehrere renommierte Akteure der Videospielbranche, darunter Amazon, Sony, Facebook, Electronic Arts, Unity und Epic, ihre Teilnahme abgesagt. Facebook will die Ankündigungen, die ursprünglich auf der Messe erfolgen sollten, nun mithilfe von verschiedenen Digitalformaten machen. Andere Spiele- und Software-Entwickler stehen wegen der Absage vor einem grossen Problem.

So hatte etwa Genvid Technologies vorgehabt, in San Francisco mehrere Neuheiten mit Bezug zu Videospielen zu präsentieren. Neben einem Vortrag und Gesprächsrunden sei auch eine Abendparty mit 120 Gästen geplant gewesen, sagt Unternehmenschef Jacob Navok. Und anders als Facebook habe Genvid nicht die Kapazitäten, einfach virtuelle Versionen dieser Events anzubieten. «Niemand würde das anschauen, da ich keine Möglichkeit habe, so etwas zu vermarkten.»

Navok will in der Woche, die er normalerweise auf der Messe verbracht hätte, nun einige der wichtigen Unternehmen an der US-Westküste direkt besuchen — und Fachjournalisten parallel dazu Interviews anbieten. Es werde «eine grosse Woche der Ankündigungen», sagt er. «Wir werden das trotzdem durchziehen. Wir werden es müssen.» Aber die Vorteile einer persönlichen Präsentation und der spontanen Gespräche, die sich oft an einem Messestand ergäben, würden eben fehlen.


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