20 Zentimeter Genauigkeit Satellitennavigationssystem Galileo vor der Vollendung

Carsten Hoefer, dpa

2.3.2019

ESA-Illustration der aus 30 Satelliten bestehende Galileo-Konstellatio.
ESA-Illustration der aus 30 Satelliten bestehende Galileo-Konstellatio.
Source: Pierre Carril/ESA

Einst als europäisches Prestigeprojekt angekündigt, ist Galileo aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch mit über einem Jahrzehnt Verspätung steht das europäische Satellitennavigationssystem vor der Vollendung – teuer und zu spät, aber offensichtlich erfolgreich.

Mit mehr als einem Jahrzehnt Verspätung und deutlicher Kostensteigerung nähert sich das europäische Satellitennavigationssystem Galileo seiner Vollendung.

Nach Angaben des Kontrollzentrums im oberbayerischen Oberpfaffenhofen sind die Starts der letzten vier von insgesamt dreissig Galileo-Satelliten für Ende 2020 geplant. In Betrieb ist das System bereits, in diesem Jahr soll der Aufbau des so genannten Hochpräzisen Dienstes beginnen, der rund um den Globus genauere Positionsbestimmungen als rivalisierende Systeme ermöglichen soll. Das erklärte die europäische Satellitennavigationsbehörde GSA in Prag auf Anfrage.

Ursprünglich sollte Galileo schon 2008 in den Vollbetrieb gehen. Ein bisschen teurer als ursprünglich geplant geworden ist die europäische Satellitennavigation ebenfalls. 1999 plante die EU 2,2 bis 2,9 Milliarden Euro für den Aufbau des Systems ein. Der derzeitige Kostenrahmen: Im EU-Budget bis 2020 sind 7,2 Milliarden für den Aufbau plus 3 weitere Milliarden für den Betrieb vorgesehen, wie es in informierten Kreisen in Brüssel heisst.

20 Zentimeter Genauigkeit – kostenlos

Und ohne grosses öffentliches Aufsehen hat die EU-Kommission 2018 einen wesentlichen Bestandteil des Galileo-Projekts geändert. Der Hochpräzise Dienst, der Positionsbestimmung bis auf 20 Zentimeter Genauigkeit ermöglichen soll, war als kommerzieller Service geplant, für den die Nutzer zahlen sollen. Nun wird auch dieser Dienst kostenlos sein.

Die Konkurrenz bei den globalen Satellitennavigationssystemen ist gross: Neben dem US-System GPS gibt es noch das russische Glonass und das chinesische Beidou, das seit Dezember vergangenen Jahres einen globalen Dienst anbietet. Daneben baut Japan das QZSS-System für den asiatisch-pazifischen Raum auf.

Ein Radioteleskop auf dem Gelände des Weltraumbahnhofs Kourou in Französisch-Guayana. Es ist Teil einer Bodenstation des globalen europäischen Satellitennavigationssystems Galileo.
Ein Radioteleskop auf dem Gelände des Weltraumbahnhofs Kourou in Französisch-Guayana. Es ist Teil einer Bodenstation des globalen europäischen Satellitennavigationssystems Galileo.
Janne Kieselbach/dpa

Zwei Argumente sollen Galileo attraktiv machen. Zum Einen ist es das einzige zivile Satellitennavigationssystem unter demokratischer Kontrolle. GPS und Glonass sind Erbstücke des Kalten Kriegs und bis heute in militärischer Hand, Beidou ein Projekt der chinesischen Kommunistischen Partei, das vor allem Pekings Weltmachtambitionen dient. Und die GSA wirbt damit, dass Galileo genauer sein soll als die Konkurrenz: Der Hochpräzise Service soll auf zwanzig Zentimeter genaue Positionsbestimmung bieten. «Unabhängige Messungen zeigen, dass Galileo in Sachen Präzision besser arbeitet als die übrigen Satellitennavigationssysteme», sagt eine GSA-Sprecherin. Allerdings arbeiten auch die Konkurrenten an steter Verbesserung.

26 Galileo-Satelliten

Derzeit befinden sich 26 Galileo-Satelliten in der Umlaufbahn, mit denen die Positionsbestimmung rund um den Globus möglich ist. Seit 2016 läuft die «Initial Service Phase». Wie in der EU üblich, sind die Zuständigkeiten über mehrere Länder und Ämter verteilt. Das Kontrollzentrum steht in Oberpfaffenhofen, Betreiber ist die europäische Satellitennavigationsbehörde GSA in Prag. Ein klares Indiz für den Erfolg des Systems: Nach Angaben der GSA wurden weltweit 600 Millionen Handys mit Galileo-Empfänger verkauft. Jedoch ist es in den vergangenen Jahren so still um das Prestigeprojekt geworden, dass es den meisten Europäern unbekannt ist.

Doch alle wesentlichen Unternehmen im Bereich Navigation haben Galileo in ihre Produkte integriert. Dazu zählt der US-Konzern Garmin, Marktführer für Navigation im Freizeitbereich wie Bergsteigen, Radfahren, Wandern, aber auch für Schiffe und Flugzeuge.

Das bedeutet aber keineswegs, dass Galileo das etablierte US-System GPS verdrängen könnte. «In engen Bergtälern, aber auch in Häuserschluchten ist die Positionsbestimmung schwierig», sagt Kai Tutschke, Geschäftsführer von Garmin Deutschland. Die Ursache: Zur Positionsbestimmung sind die Signale mehrerer Satelliten notwendig. In Schluchten – ob natürlichen im Gebirge oder menschengemachten aus Beton und Stahl – sind für die Empfänger nur wenige Satelliten «sichtbar». «Da hilft es, wenn man zwei Systeme gleichzeitig nutzen kann», sagt Tutschke.

Ähnliches ist beim Kartendienst Here zu hören, der mehrheitlich den Autoherstellern Audi, BMW und Daimler gehört und zu dessen Kunden Garmin zählt. «Galileo stellt in diesem Zusammenhang eine willkommene Ergänzung dar und trägt dazu bei, die Präzision der Positionsbestimmung weiter zu verbessern», sagt ein Sprecher. Für Here reichen allerdings auch mehrere Satellitensystem nicht aus: So sind für die genaue Positionsbestimmung innerhalb von Gebäuden Satellitensignale nicht ausreichend. «Daher setzen wir für unsere Positionstechnologie neben Navigationssatellitensystemen zusätzlich auf Mobilfunkzellen und Wlan-Netze», sagt der Sprecher.


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