Konjunktur Schweizer Wirtschaft wächst nur noch langsam

rw

29.11.2022 - 09:04

Die Schweizer Wirtschaft ist im dritten Quartal nur noch leicht gewachsen. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs das Bruttoinlandprodukt (BIP) laut Angabes des Bundes vom Dienstag noch um 0,5 Prozent. (Archivbild)
Die Schweizer Wirtschaft ist im dritten Quartal nur noch leicht gewachsen. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs das Bruttoinlandprodukt (BIP) laut Angabes des Bundes vom Dienstag noch um 0,5 Prozent. (Archivbild)
Keystone

Die Schweizer Wirtschaft wächst nur noch langsam. Zwar wird noch immer viel konsumiert, doch die Entwicklung auf dem Bau und in der Industrie dämpft den Anstieg.

Keystone-SDA, rw

Alles in allem stieg das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Periode von Juni bis September 2022 gegenüber dem Vorquartal um 0,2 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Dienstag mitteilte. Gegenüber dem Vorjahresquartal wuchs das BIP um 0,5 Prozent.

Der Anstieg kommt damit am unteren Rand der Erwartungen zu liegen. Von der Nachrichtenagentur AWP befragte Ökonomen hatten die Entwicklung zum Vorquartal nämlich bei +0,2 bis +0,5 Prozent gesehen. Beim Vorjahresvergleich waren sogar Werte von rund 1 Prozent prognostiziert worden. Hier wirkte sich unter anderem aus, dass das Seco das Wachstum des Vorquartals nach unten revidierte.

Noch immer Nachholeffekte

Laut dem Seco stützte die Binnenwirtschaft das Wachstum. So habe sich insbesondere der private Konsum trotz verhältnismässig hoher Inflationsraten überdurchschnittlich entwickelt. «Es gibt noch immer Corona-Nachholeffekte», sagte Felicitas Kemeny, Leiterin des Ressorts Konjunktur beim Seco, auf Anfrage. So hätten die Konsumentinnen und Konsumenten etwa mehr Geld für Reisen ausgegeben.

Von der Erholung des Tourismus profitierte gemäss der Mitteilung auch das Gastgewerbe, das sich gegenüber den Vorquartal um 2,8 Prozent steigerte. Und auch im Detailhandel und im Handel ging es aufwärts.

Bau im Krebsgang

Einen Dämpfer gab es hingegen in der Binnenwirtschaft für den Bau: So ging die Wertschöpfung im Baugewerbe gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent zurück. «Dieser Rückgang ist ziemlich breit und betrifft den Hoch- und Tiefbau sowie das Ausbaugewerbe», so Kemeny. Erklärungsansätze seien der Fachkräftemangel und die gestiegenen Preise von Baumaterialien.

Eine rückläufige Wertschöpfung gab es auch bei den Finanzdiensten (-4,4%). Sowohl das Zins- als auch das Kommissionsgeschäft seien rückläufig gewesen, sagte Kemeny.

Schwächelnde Industrie

Auch im verarbeitenden Gewerbe ging die Wertschöpfung zurück (-0,2%). Zwar sei die chemisch-pharmazeutische Industrie nach zwei negativen Quartalen zu einem substanziellen Wachstum zurückgekehrt (+1,7%), schrieb das Seco. In anderen Bereichen habe sich aber das herausfordernde internationale Umfeld zunehmend bremsend ausgewirkt. Namentlich genannt wurden die Maschinen- und Metallindustrie.

Kemeny relativiert diesen Rückgang allerdings: «Auch ohne Chemie-Pharma ist die Wertschöpfung der Industrie noch immer auf einem hohen Niveau», sagte sie. Denn die Branche sei insgesamt relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen.

Alles in allem sind für Kemeny die BIP-Werte für das dritte Quartal «mehr oder weniger erwartungsgemäss» ausgefallen. Ob die Expertengruppe des Bundes bei der BIP-Prognose für das Gesamtjahr Anpassungsbedarf sieht oder nicht, wird sich in gut zwei Wochen zeigen. Dann werden die Vorhersagen aktualisiert. Bislang ging das Seco für das laufende Jahr von einem Wachstum von 2,1 Prozent aus, für 2023 von 0,8 Prozent.

Ökonomen sehen nicht düster

Ökonomen äussern sich in ersten Reaktionen nicht allzu pessimistisch: «Wir sehen unverändert gute Chancen, dass die Schweizer Wirtschaft auch im nächsten Jahr weiter zulegen kann, wenn auch mit einem deutlich bescheideneren Tempo», meint Raiffeisen-Experte Alexander Koch. Selbst in der Industrie sähen die Geschäftsaussichten, trotz rückläufiger Auftragseingänge, bislang nicht düster aus. «Die Auftragsbestände sind meist noch hoch, die Lieferengpässe nehmen ab und das Verarbeitende Gewerbe hierzulande ist nicht sonderlich energieintensiv», so seine Begründung.

Ähnlich kommentiert Safra-Sarasin-Experte Karsten Junius: «Die Details zum Schweizer BIP sind deutlich besser, als die moderate Wachstumsrate von 0,2 Prozent sowie die Abwärtsrevision des letzten Quartal auf den ersten Blick vermuten lassen.» Mit Ausnahme der Bauinvestitionen seien alle binnenwirtschaftlichen Verwendungskomponenten positiv. Der private Konsum und die Ausrüstungsinvestitionen zeigten sogar ein sehr kräftiges Wachstum, so seine Einschätzung.