Urteil aus Luxemburg Wann ist der Käse ein Emmentaler?

Von Oliver Kohlmaier

24.5.2023

Emmentaler muss laut EU-Gericht nicht in der Schweiz hergestellt worden sein.
Emmentaler muss laut EU-Gericht nicht in der Schweiz hergestellt worden sein.
Harald Tittel/dpa (Symbolbild)

Der Emmentaler ist weltweit ein Synonym für Schweizer Käse. Dort herkommen muss er laut EU-Gericht jedoch noch immer nicht. Warum das so ist, und wie es jetzt weitergeht.

Von Oliver Kohlmaier

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • «Emmentaler»-Käse muss nach einem Urteil des EU-Gerichts nicht aus der Schweiz kommen.
  • Die Schweizer Branchenorganisation Emmentaler Switzerland wollte die Bezeichnung «Emmentaler» als Marke in der EU schützen lassen und scheiterte. Beklagt wurde das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum.
  • Emmentaler Switzerland prüft einen Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Für deutsche Kund*innen ein gewohnter Anblick: Eine grosse Auswahl Emmentaler im Kühlregal der Supermärkte. Dass einer Grossteil davon tatsächlich aus dem Inland stammt — und nicht etwa aus dem Emmental in der Schweiz — stellt sich oft erst bei genauerem Hinsehen heraus.

Dass das vorerst so bleibt, entschied am Mittwoch das EU-Gericht in Luxemburg. Was heisst das für die Schweizer Käsehersteller — und wie geht es jetzt weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer hat gegen wen geklagt?

Die abgewiesene Klage wurde von der Schweizer Branchenorganisation Emmentaler Switzerland eingereicht. Gegner im Prozess ist das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).

Dessen Beamte hatten zuvor einen Antrag von Emmentaler Switzerland abgelehnt und sinngemäss argumentiert, für die Kund*innen seien die typisch Emmentaler-grossen Löcher massgeblich, er werde als Käsesorte wahrgenommen.

Wie argumentiert das Gericht?

Der Verband wollte erreichen, dass nur Schweizer Emmentaler auch als solcher bezeichnet werden darf. Bei einem Käse, der nicht aus der Schweiz stammt, müsste dann die Herkunftsregion genannt werden. 

Dies ist etwa beim Allgäuer Emmentaler bereits jetzt der Fall. Der allerdings hat selbst eine geschützte Herkunftsbezeichnung. 

Die Luxemburger Richter lehnten die Argumentation des Branchenverandes ab. Emmentaler beschreibe «für die massgeblichen deutschen Verkehrskreise» eine Käsesorte und nicht die geografische Herkunft. Daher könne der Begriff nicht als Marke geschützt werden.

Was ist jetzt noch möglich?

Gegen das Urteil kann noch vor dem höchsten europäischen Gericht, dem EuGH, vorgegangen werden.

Urs Schlüchter, Direktor von Emmentaler Switzerland, betont auf Anfrage von blue News, das Europäische Gericht habe heute lediglich über den Schutz der Kollektivmarke Emmentaler in der EU entschieden. Der Entscheid sei «noch nicht abschliessend» und habe «keinen Einfluss auf den bestehenden Schutz von Emmentaler in den Ländern, mit denen die Schweiz Staatsverträge über den Schutz von Herkunftsländern abgeschlossen hat».

Ob Emmentaler Switzerland eine Instanz höher gehen wird, liess Schlüchter offen: «Wir werden den Entscheid in Ruhe analysieren und dann entscheiden, ob wir dagegen eine Klage beim EuGH einlegen oder nicht.»

Laut Radio SRF kann sich der Branchenverband allerdings woanders ohnehin grössere Chancen ausrechnen: Bei den Vereinten Nationen, genauer: Der Weltorganisation für geistiges Eigentum, wo ein ähnlicher Antrag eingereicht wurde.

Wann ist der Käse ein Emmentaler?

Emmentaler ist ein Hartkäse. Für den Branchenverband ist er erst dann ein Emmentaler, wenn er aus würziger Rohmilch hergestellt wurde und mindestens vier Monate gereift ist.

Das ist etwa beim besagten Allgäuer Emmentaler nicht der Fall. Eingeführt bereits 1821 vom Schweizer Käsemeister Johann Althaus, muss das Pendant aus dem Allgäu zwar auch aus Rohmilch hergestellt werden, ist aber nur drei Monate gereift und milder als das Original.

Um die Markenbezeichnung Emmentaler AOP tragen zu dürfen, gibt der Branchenverband ein Pflichtenheft mit strengen Auflagen heraus. AOP ist ein Akronym für «Appellation d’Origine Protégée» («Geschützte Ursprungsbezeichnung»)

Unter anderem ist dort geregelt, dass das «Gebiet für Emmentaler» die folgenden Kantone umfasst: Aargau, Bern ohne den Amtsbezirk Moutier, Glarus, Luzern, Schwyz, Solothurn, St. Gallen, Thurgau, Zug und Zürich sowie den See- und Sensebezirk Freiburgs.

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Welche Auswirkungen hat die Entscheidung?

Für den Branchenverband Emmentaler Switzerland ist der Entscheid zwar eine Niederlage, er hat aber vermutlich keine grossen Auswirkungen. Schliesslich ändert sich nichts, auch weiterhin muss Emmentaler nicht zwingend aus der Schweiz kommen.

Der Marke Schweiz hat der Entscheid indessen ganz sicher nicht geschadet. Was sollte sich auch ändern? Nicht nur beim nördlichen Nachbarn denken viele bei «Schweizer Käse» sofort an den Emmentaler. Und für Amerikaner*innen ist er der swiss cheese schlechthin.

Umsatzeinbussen haben die Schweizer Käsehersteller wohl auch nicht zu befürchten. Denn auch zuvor wussten «die massgeblichen deutschen Verkehrskreise»: Der Emmentaler aus der Schweiz schmeckt am besten.

Warum hat man den Emmentaler nicht früher schützen lassen?

Gelegentlich ist der Vorwurf zu hören, man habe es schon im 19. Jahrhundert versäumt, den Emmentaler angemessen schützen zu lassen, namentlich die damalige «Schweizerische Käseunion». 

Die jedoch trifft keine Schuld. Denn als die Grundlagen für das heutige Markenrecht gelegt wurden, haben Käsereien weltweit bereits fleissig Emmentaler produziert — und auch als solchen verkauft.

Ironie der Geschichte: Es waren die Eidgenossen selbst, die den Emmentaler in die weite Welt hinausgetragen haben. Auswanderer im 19. Jahrhundert machten den Käse bekannt.

Gibt es einen ähnlichen Fall?

Ein weiterer berühmter Schweizer Rohmilchkäse ereilte erst kürzlich ein ähnliches Schicksaal. Im März bezeichnete ein US-Berufungsgericht das Produkt aus dem Greyerzerland als geläufigen Käse.

Gruyère sei lediglich eine Gattungsbezeichnung, so die Richter. Als ob das nicht Frevel genug wäre, heisst es in dem Urteil, er sei eine «geläufige Käsebezeichnung».