«Erst Lücken schliessen» Virologe hält Impfauffrischung bei den meisten für unnötig

dpa/SDA/uri

19.8.2021

Einen sogenannten Booster-Shot für breitere Bevölkerungsgruppen hält der deutsche Virologe Christian Drosten für noch nicht nötig. (Symbolbild)
Einen sogenannten Booster-Shot für breitere Bevölkerungsgruppen hält der deutsche Virologe Christian Drosten für noch nicht nötig. (Symbolbild)
Bild: dpa

Derzeit wird viel über Auffrischungsimpfungen im Herbst diskutiert. Der deutsche Virologe Christian Drosten hält sie bei den meisten für nicht angebracht. Ausnahmen seien jedoch Risikopatienten und ältere Menschen.

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19.8.2021

Die US-Regierung will die amerikanische Bevölkerung voraussichtlich ab September mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus versorgen. Auch Patrick Mathys vom BAG sagte am Dienstag bei der Medienkonferenz der Experten des Bundes: «Ich denke, dass Booster-Impfungen mittelfristig auch uns zukommen werden.»

Wenig von Auffrischungsimpfungen im grossen Stil hält derzeit der renommierte Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité. Für die meisten Geimpften seien sie nach seiner Überzeugung im Herbst noch nicht nötig. «Die Schutzwirkung der Corona-Vakzinen ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch das baldige Aufkommen einer neuen Virusvariante, die gegen die verfügbaren Impfstoffe resistent ist, erwartet er nicht.

Eine dritte Impfung kommt laut dem Virologen Christian Drosten vor allem bei Risikopatienten und Alten infrage. 
Eine dritte Impfung kommt laut dem Virologen Christian Drosten vor allem bei Risikopatienten und Alten infrage. 
Bild: Kay Nietfeld/dpa

Bei alten Menschen sowie bestimmten Risikopatienten hält Drosten eine Auffrischungsimpfung in diesem Herbst jedoch durchaus für sinnvoll. «Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter.» In besonderen Umfeldern wie Seniorenheimen sei eine Auffrischung daher denkbar.



Die dafür benötigten Dosen nicht ins Ausland abzugeben, sei trotz der internationalen Impfstoff-Knappheit vertretbar. Für die übrige Bevölkerung werde irgendwann vielleicht ein Altersniveau definiert werden, ab dem eine Auffrischungsimpfung sinnvoll werde. «In diesem Herbst kommt es aber darauf an, überhaupt erst einmal die Impflücken bei den über 60-Jährigen zu schliessen.»

Biontech und Moderna stehen in den Startlöchern

Die US-Regierung hatte am Mittwoch angekündigt, die gesamte amerikanische Bevölkerung voraussichtlich ab September mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus versorgen zu wollen. Vollständig Geimpfte sollen rund acht Monate nach der zweiten Spritze mit den Präparaten von Moderna oder Pfizer/Biontech eine dritte Dosis bekommen, wie hochrangige Gesundheitsbeamte mitteilten. Grund dafür seien die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante sowie Datenauswertungen zum allmählich abnehmenden Impfschutz.

Das Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer hatten am Montag erste Daten für die Zulassung einer Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eingereicht. In den kommenden Wochen sollten die Daten einer Phase-1-Studie auch bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und weiteren Behörden eingereicht werden. Die Teilnehmer hätten acht bis neun Monate nach der zweiten Dosis eine Auffrischungsimpfung erhalten, hiess es. Im Vergleich zu einer zweifachen Impfung hätten bei den Menschen mit Auffrischungsimpfung «signifikant höhere neutralisierende Antikörpertiter» nachgewiesen werden können.

Auch der Vakzin-Hersteller Moderna untersucht derzeit zwei unterschiedliche Optionen für eine mögliche Auffrischung seines Corona-Impfstoffs vor Ende des Jahres. In einem Interview mit «24 Heures» und «La Tribune de Genève» sagte der Europa-Chef des Unternehmens Dan Staner, die Zusammensetzung der dritten Dosis könne ähnlich bleiben, wie der bestehende Impfstoff, oder angepasst werden. Gegenüber dem «Blick» erklärte Staner: «Wir entwickeln die Booster-Impfung nicht nur für ältere Menschen oder solche mit einem schwachen Immunsystem. Sondern für alle.»

Kritik an Auffrischungsimpfungen von der WHO

In den USA, weiteren Ländern und vereinzelt auch in der Schweiz und Deutschland werden für bestimmte Gruppen bereits Auffrischungsimpfungen vorgenommen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hingegen kritisiert die Pläne für Auffrischungsimpfungen bei gesunden Menschen.

Bislang sei nicht einmal klar, ob sie nötig seien, sagte die Chef-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan am Mittwoch in Genf. Während in reichen Ländern jede Menge Impfstoff vorhanden ist, warten weltweit in Dutzenden Ländern viele Millionen Menschen noch auf die Chance einer Impfung. Der WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan meinte, Menschen eine Auffrischimpfung anzubieten, sei so, als gebe man Menschen mit Rettungswesten noch eine weitere Weste dazu, während Millionen andere ohne jeglichen Schutz bleiben müssten.