Jakob AckeretDer Schweizer, der der Luftfahrt gehörig Schub verlieh
Philipp Dahm
27.3.2021
Er legt Grundlagen für den Überschallflug, erfindet die Einheit Mach und perfektioniert Turbinen: Vor 40 Jahren ist der Zürcher Ausnahmeingenieur Jakob Ackeret gestorben, der die Luft- und Raumfahrt katapultiert hat.
Philipp Dahm
27.03.2021, 09:54
27.03.2021, 13:31
Philipp Dahm
Manchmal finden sich gewisse Grössen einfach. Im Bereich der Populärkultur ist die Villa Kunterbunt so ein Beispiel – eine Hamburger WG, in der einst Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen und Otto Waalkes zusammengelebt haben.
Auf dem Gebiet der Wissenschaften ist die ETH Zürich die Villa Kunterbunt – der Ort, an dem alles zusammenläuft. Albert Einstein lernte hier ebenso wie Aurel Stodola, eine Schweizer Kapazität im Turbinen-Bau. Einstein sagte über Stodola: «Wäre er in die Renaissance hineingeboren, so wäre er ein grosser Maler oder Bildhauer geworden. Denn der stärkste Trieb seiner Persönlichkeit ist Fantasie und Gestaltungsdrang.»
Vom Erdenker der Relativitätstheorie über den Schweizer Vater der Turbine ist es bis Jakob Ackeret nicht weit, dessen Ingenieurskunst der Luftfahrt einen gehörigen Schub verpasst. Auch Ackeret studiert an der ETH, ist danach bei Stodola Assistent, holt sich Praxiserfahrungen in Deutschland und lehrt zuletzt wieder in Zürich, wo er den Begriff Mach für Überschall-Flugzeuge prägt. Am 27. März 2021 jährt sich sein Todestag zum 40. Mal.
Ackeret ist ein international ausgezeichneter Schweizer: In Wien, London, Paris und Turin erhält er Würden, wird Ehrenmitglied des Max-Planck-Instituts für Strömungsforschung, der American Society of Mechanical Engineers und natürlich des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins. Dabei startet der wissenschaftliche Überflieger seine Karriere ganz bodenständig: als Sohn eins Zürcher Schlossermeisters.
Schweizerischer Lebenslauf
Der Lebenslauf: schweizerisch. Geboren 1898 in Seuzach, Umzug nach Zürich 1908, Matura 1916, ETH-Maschinenbau-Diplom 1920, Assistent bei Aurel Stodola bis 1921.
Danach geht Ackeret zu Ludwig Prandtl an die Aerodynamische Versuchsanstalt Göttingen, wo er eigentlich nur ein Jahr forschen will. Stattdessen bleibt er sechs Jahre in Deutschland, wo er sogar mit dem Ausbau des Göttinger Kaiser-Wilhelm-Instituts für Strömungsforschung betraut wird.
Als er 1927 in seine Heimat zurückkehrt, wird er zunächst Chefhydrauliker der Zürcher Escher Wyss AG und legt nur ein Jahr später seine Habilitationsschrift vor – in «Über Luft-Kräfte bei sehr grossen Geschwindigkeiten insbesondere bei ebenen Strömungen» verwendet erstmalig den Begriff Mach im Zusammenhang mit Überschallflügen, der heute Standard ist.
Erster Überschall-Windkanal
Von 1931 bis 1967 gibt Ackeret sein Fachwissen an der ETH weiter und forscht auf dem Gebiet der Strömungslehre, verbessert Dampf- und Gasturbinen und entwickelt einen Verstellpropeller für Schiffe, der später auch in Flugzeugen eingesetzt wird.
1934 baut er in Zürich den ersten Schweizer Unterschall- und Überschall-Windkanal, der für das Schweizer Militär von grossem Interesse ist – und fürs Ausland, wie eine italienische Kopie 1935 beweist.
Ackeret erforscht, wie man Häuser windsicherer macht und Tunnel besser belüftet. Er baut eine neuartige Dampfturbine, doch vor allem auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt ist seine Arbeit bahnbrechend, wie die verschiedenen wissenschaftliche Ehrenwürden beweisen, die er in den 60ern und 70ern einheimst.
Privat geheimnisvoll
Der Zürcher emeritiert 1967: In der Abschiedsvorlesung denkt der Professor laut darüber nach, wie der Überschallflug auch in der Zivilluftfahrt eingesetzt werden könnte.
Über das Privatleben des Ausnahmeingenieurs ist wenig öffentlich. Ackeret heiratet 1925 Irmgard Knorr, die Tochter eines Metzgers. 1941 tritt er ein zweites Mal vor den Altar: Rosa Rüdenauer ist die Tochter eines Zürcher Lehrers.
Man kann also nur spekulieren, wie er die 14 Jahre im Ruhestand verbringt, bis er 1981 in Gossau ZH stirbt – es wird gewiss auch etwas Grosses gewesen sein.