«Fehlglaube» gesundes RauchenKrebsrisiko bei E-Zigaretten genauso hoch wie bei normalem Rauchen
phi
22.3.2024
Forschende können anhand epigenetischen Veränderungen nicht nur erkennen, ob jemand geraucht hat, sondern auch was. Auch E-Zigaretten hinterlassen Spuren, die zu Krebs führen können, warnt eine neue Studie.
P. Dahm
22.03.2024, 00:00
phi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
E-Zigaretten haben wie herkömmliche Zigaretten epigenetische Auswirkungen auf verschiedene Zellen, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen stehen.
Anhand der epigenetischen Veränderungen können Forschende mit über 90 Prozent Genauigkeit sagen, ob jemand geraucht hat und auch wie er Tabak konsumiert hat.
Dass man mit E-Zigaretten «gesund raucht», ist ein «Fehlglaube».
E-Zigaretten sind wohl weniger schädlich, aber immer noch schädlich, betonen Mediziner.
Der E-Zigaretten-Konsum hat Folgen für die Lunge, die Gefässe und das Herz-Kreislauf-System.
E-Zigaretten haben – wie auch Zigaretten – epigenetische Auswirkungen auf verschiedene Zellen im Körper, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen stehen. Das hat ein Forschungsteam der Universität Innsbruck, der Universität Bristol, des University College London und des Deutschen Krebsforschungsinstituts nachgewiesen.
«Das Epigenom überlagert unser genetisches Material (DNA) wie eine Schicht aus Informationen», schreibt die Uni Innsbruck anschaulich. «Stellt man sich die DNA als ‹Hardware› eines Computers vor, so ist die Epigenetik ihre ‹Software›: Sie bestimmt wie, wo und wann die vom Computer verwendeten Programme ausgeführt werden.»
Schweizer E-Zigaretten-Konsum
2022 gaben 3 Prozent der Bevölkerung an, mindestens einmal im Monat E-Zigaretten zu nutzen, davon 1,7 Prozent täglich. Im Schnitt haben 14,1 Prozent der Bevölkerung diese Produkte nur ausprobiert, wobei es in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen 32 Prozent sind.
Im Epigenom werden Informationen gespeichert, die sich aus unserer Lebensweise, aber etwa auch dem Kontakt mit Chemikalien ergeben, heisst es weiter. Diese Daten erlaubten einen Blick zurück, liessen aber auch Vorhersagen zur Gesundheit zu, erklärt Martin Widschwendter, der für die Universität Innsbruck an der Studie mitgewirkt hat.
Epigenom verrät, wie Tabak konsumiert wurde
Eine häufig untersuchte epigenetische Veränderung ist die sogenannte DNA-Methylierung, bei der Erbsubstanzen verändert werden, heisst es weiter. Diese Veränderungen bleiben jahrelang stabil: Sie führen dazu, dass Forschende nicht nur mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent präzise benennen können, ob die untersuchte Person jemals geraucht hat.
Sie konnten mit derselben Wahrscheinlichkeit auch unterscheiden, ob Tabak verbrannt, E-Zigaretten geraucht und Snus geschnupft worden ist. Um Verwechslungen zu vermeiden, wurde bei den E-Zigaretten-Probanden darauf geachtet, dass sie nie normale Zigaretten geraucht haben. Allen Konsum-Formen gemein ist, dass sogenannte Epithelzellen im Mund von Rauchenden ähnliche Veränderungen verursachen wie Krebszellen.
Gefährdete Jugend
Der Konsum von E-Zigaretten, darunter Puff Bars und Nachahmerprodukte, an mindestens 10 Tagen im Laufe der letzten 30 Tage betrifft 7 Prozent der Jungen und 8 Prozent der Mädchen im Alter von 15 Jahren. Dieser häufige Konsum nahm im Vergleich zu 2018 vor allem bei den Mädchen zu, warnt eine Studie von Sucht Schweiz.
«Unserer Ergebnisse deuten darauf hin, dass E-Zigaretten und insbesondere deren Langzeitfolgen noch genauer geprüft werden müssen, bevor sie allgemein als ‹95 % sicherer als Zigaretten› zur Raucher-Entwöhnung empfohlen werden», fasst Erstautorin und Molekular-Medizinerin Chiara Herzog zusammen. «Insbesondere bei Jugendlichen und Menschen, die noch nie geraucht haben.»
«Schädlich sind beide»
Dass die E-Zigarette gesund ist, sei ein «Fehlglaube», hält dann auch Nasser Malyar vom deutschen Universitätsklinikum Münster fest. «Es mag sein, und das wird sich in Zukunft herausstellen, dass die E-Zigarette etwas weniger schädlich ist als die normale Zigarette.» Aber: «Schädlich sind beide.»
Hilfe durch Vapefree.info
Vapes und Puffs erfreuen sich wegen schmackhafter Aromen, einfacher Erhältlichkeit und hipper Werbung wachsender Beliebtheit bei Kindern und Jugendlichen. Dagegen kämpfen die Lungenliga Tessin und die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz: Sie lancieren Vapefree.info mit fundiertem Hintergrundwissen und Anleitungen für Eltern und Lehrkräfte.
Ins selbe Horn stösst Elke Pieper vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung: «Nach allem, was wir bisher wissen, sind die gesundheitlichen Risiken von E-Zigaretten im Vergleich zu Tabak-Zigaretten geringer, aber keineswegs harmlos.»
In den Flüssigkeiten, die in E-Zigaretten verdampft werden, können Pieper zufolge zehn und mehr Aromastoffe enthalten sein. Wenn sie erhitzt werden, «können dort auch gesundheitsschädliche und krebserregende Substanzen entstehen, die dann auch inhaliert werden», warnt die Deutsche.
Lunge, Gefässe und Herz-Kreislauf betroffen
Ein Beispiel sei der Süssstoff Sucralose, der als Geschmacksverstärker in fruchtigen Aromen Verwendung findet. Eine Erhitzung über 120 Grad wie in E-Zigaretten kann zur Bildung schädlicher Substanzen führen, so Pieper. Neben Nikotin gebe es viel schädliche Stoffe, die auch in Kombinationen auftreten können oder neue Stoffe bilden, ergänzt Malyar.
Das habe Folgen: «E-Zigaretten schädigen die Lungenfunktion, die Gefässwände und haben unmittelbare Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.» Zwar gebe es zu Langzeitfolgen noch zu wenig Studien, doch unter diesen Umständen müsse man davon ausgehen, dass E-Zigaretten Langzeitauswirkungen hätten.
In der Schweiz fallen E-Zigaretten noch unter das Lebensmittelrecht, bis Mitte 2024 das neue Tabakproduktegesetz in Kraft tritt. Danach werden E-Zigaretten Zigaretten gleichgestellt, was Werbung oder die Abgabe an Minderjährige angeht.