Vor 60 Jahren Einst war der Antarktis-Vertrag der Zeit voraus – heute fehlt Fortschritt

dpa/phi

1.12.2019

Voilà: Kunst in der Antarktis. Im März 2017 gab es unter der Schirmherrschaft der UNESO die südlichste Vernissage der Welt.
Voilà: Kunst in der Antarktis. Im März 2017 gab es unter der Schirmherrschaft der UNESO die südlichste Vernissage der Welt.
Bild: Keystone

Mitten im Kalten Krieg einigten sich am 1. Dezember 1959 die USA und die Sowjetunion mit zehn anderen Staaten auf den Schutz der Antarktis. Heute beklagen Experten die Blockadepolitik der Nationen.

Grösste Eiswüste der Erde, grösser als ganz Europa, ohne einheimische Menschen, dafür aber mit etlichen Tierarten – das ist die Antarktis. Der südlichste Kontinent wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von Seefahrern gesichtet. Anfang des 20. Jahrhunderts erreichten erstmals Menschen den Südpol. Lange galt die Antarktis als «weisser Fleck auf dem Globus».

Das einzige bekannte Foto des norwegischen Entdeckers Roald Amundsen, der 1911 den Südpol erreichte.
Das einzige bekannte Foto des norwegischen Entdeckers Roald Amundsen, der 1911 den Südpol erreichte.
Bild. Keystone

Als Erkundungstouren zeigten, wie viel mehr der Kontinent zu bieten hat, wuchs das wissenschaftliche Interesse – und die geostrategischen und wirtschaftlichen Begehrlichkeiten nahmen zu. Eine Gruppe von Wissenschaftlern, zwischen 1957 und 1958 zusammengeschweisst durch ein Internationales Geophysikalisches Jahr, schlug ein Komitee zur Koordination der Polarforschung vor – und erreichte weit mehr als das.

Am 1. Dezember vor 60 Jahren unterzeichneten zwölf Staaten den Antarktis-Vertrag. Darunter waren neben Argentinien, Australien, Belgien, Chile, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Neuseeland, Norwegen und Südafrika auch die Sowjetunion und die USA. Sie besiegelten mitten im Kalten Krieg das erste internationale Umweltschutz-Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Schweiz seit 1990 an Bord

Die Vertragsstaaten einigten sich auf die friedliche Nutzung der Antarktis, ein Verbot militärischer Aktivitäten in dem Gebiet und freie, internationale Forschungszusammenarbeit. Territorialansprüche wurden eingefroren. Über die Jahre kamen zahlreiche Folge-Abkommen und 42 neue Vertragsteilnehmer hinzu: Die Schweiz ratifizierte das Dokument 1990.

Polarlöicht über dem South Pole Atmospheric Research Observatory.
Polarlöicht über dem South Pole Atmospheric Research Observatory.
Bild: Keystone

Viele Experten sehen den «Friedensvertrag» jedoch in Gefahr – und sind frustriert über fehlende Fortschritte. Der Klimawandel sorgt für fundamentale Veränderungen in den Polarregionen: Eis schmilzt, neue Schifffahrtswege entstehen und immer mehr Bodenschätze, Pflanzen und Tiere kommen in greifbare Nähe.

Eine chilenische Forschungsstation, das Glaciar Union Camp, bei den Ellsworth Mountains, in der Antarktis im November 2018.
Eine chilenische Forschungsstation, das Glaciar Union Camp, bei den Ellsworth Mountains, in der Antarktis im November 2018.
Bild: Keystone

In der Arktis, deren Anrainer sich seit 1996 im Arktischen Rat abstimmen, werden diese trotz Kritik von Umweltschützern schon seit längerem kommerziell verwertet. Der Antarktis-Vertrag schützt den südlichsten Kontinent bislang weitgehend davor. Aber die Begehrlichkeiten werden grösser.

Blockadepolitik beim Umweltschutz

Vor allem die auf Eis gelegten territorialen Ansprüche schwelen weiter, wie der diesjährige Meeresschutzbericht «World Ocean Review» darlegt. Vor allem das forsche Vorgehen Chinas ärgert dabei andere Vertragsstaaten. Fortschritte beim Schutz der Antarktis gebe es auch deshalb so gut wie keine, sagen Experten.

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Seit acht Jahren haben es die Teilnehmerstaaten des Antarktis-Vertrags beispielsweise nicht geschafft, sich auf die Schaffung eines grossen Meeresschutzgebietes im Osten des Kontinents zu einigen – unter anderem wegen Fischerei-Interessen. Russland und China haben erst jüngst wieder solche Bemühungen blockiert. Nicht zum ersten Mal.

Zwei Mediziner behandeln im Glaciar Union Camp im Dezember 2018 einen chilenischen Soldaten.
Zwei Mediziner behandeln im Glaciar Union Camp im Dezember 2018 einen chilenischen Soldaten.
Bild: Keystone

Auch der Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen werde wahrscheinlich «erhebliche Auswirkungen» auf das weitere Vorgehen der Antarktis-Vertragspartner haben, prophezeit der russische Polarforscher Walery Lukin. Der 1959 besiegelte Schutzstatus gilt zwar zeitlich unbefristet, die Laufzeit des 1991 beschlossenen zusätzlichen Umweltschutzprotokolls aber endet 2048.

Mekka für Forscher

Laut deutschdem Umweltbundesamt handelt es sich dabei um die schärfsten und umfangreichsten Regeln, die jemals für eine Region der Erde international erarbeitet wurden. Darin verankert ist etwa das Verbot, Rohstoffe abzubauen. Für die Forschung sind die um den Südpol gelegenen Land- und Meeresgebiete unterdessen längst unverzichtbar.

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Wissenschaftler sammeln dort Unmengen an Daten – etwa zu Wetter, Luftqualität, Ozonloch und Magnetfeld. Dutzende Forschungsstationen gibt es inzwischen, beispielsweise die vom deutschen Alfred-Wegener-Institut (Awi) betriebene «Neumayer-Station III», in der ganzjährig Wissenschaftler leben und arbeiten.

Karte der Antarktis mit der Lage der deutschen Forschungsstation Neumayer III.
Karte der Antarktis mit der Lage der deutschen Forschungsstation Neumayer III.
Bikld: AWI

Die Bedingungen dort beschreibt das Institut als «beschwerlich». Zwischen Mitte November und Ende Januar geht die Sonne nicht unter, zwischen Mitte Mai und Mitte Juni lässt sie sich dagegen nicht blicken. Der Kälterekord seit Bestehen der Station liegt bei minus 50,2 Grad, gemessen im Juli 2010.

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