MedizinElektrostimulation verhindert Bewusstlosigkeit bei einer Patientin
stsc, sda
6.4.2022 - 23:00
Eine an einer neurodegenerativen Erkrankung leidende Frau kann dank Elektrostimulation wieder aufrecht stehen und gehen, ohne dass sie aufgrund ihrer Blutdruckprobleme bewusstlos wird. Die Fallstudie erschien am Mittwoch im «New England Journal of Medicine».
Keystone-SDA, stsc, sda
06.04.2022, 23:00
SDA
Die 48-jährige Patientin leidet an Multisystematrophie (MSA). Das ist eine chronische neurodegenerative Erkrankung, die tödlich verläuft und bisher nicht heilbar ist. Sie manifestiert sich in einer orthostatischen Hypotonie, bei der beim Aufsitzen und -stehen der Blutdruck absackt und so Schwindel bis Bewusstlosigkeit verursacht. Aufgrund der Erkrankung war die Frau seit anderthalb Jahren bettlägerig, mehr als fünf Meter konnte sie nicht mehr gehen.
Ein Forschungsteam um die Neurochirurgin Jocelyne Bloch von der Universität und dem Universitätsspital Lausanne (Chuv) und den Neurowissenschaftler Grégoire Courtine von der ETH Lausanne (EPFL) half der Patientin nun, eine gewisse Unabhängigkeit im Alltag wiederzuerlangen, wie die Lausanner Institutionen mitteilten.
250 Meter gehen
Die Therapie beruht auf der sogenannten epiduralen Elektrostimulation. Hierzu wurde der Patientin chirurgisch in der Wirbelsäule Elektroden eingepflanzt sowie ein Beschleunigungssensor, der die Positionen der Patientin aufzeichnet. Sitzt oder steht sie auf, wird die Stimulation der Nerven im Rückenmark aktiviert und der Blutdruck so reguliert.
Nach drei Monaten Neurorehabilitationstraining gelang es der Patientin, mit einer Gehhilfe mehr als 250 Meter zu laufen, ohne in Bewusstlosigkeit zu fallen – vorausgesetzt, die Stimulation war angeschaltet. Zudem wurde sie auch kaum mehr bewusstlos, wenn sie zu Hause in aufrechter Position sass. So berichtete die Patientin über eine «allgemeine Verbesserung ihres Wohlbefindens», wie die Forschenden in der Studie ausführen.
Die Therapie habe es der Frau erlaubt, ihre Blutdruckmedikamente abzusetzen, ergänzte die Neurochirurgin Bloch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Mit der Stimulation habe der Blutdruck zwar nicht perfekt, aber viel besser reguliert werden können. Die Patientin lebe zu Hause, wo sie von ihrem Ehemann und Pflegepersonal unterstützt werde.
Klinische Studien geplant
Mit derselben Behandlungsmethode konnten die Forschenden bereits Blutdruckprobleme bei einem Gelähmten in den Griff kriegen. Die vorliegende Studie zeige nun erstmals, dass sich mit der epiduralen Elektrostimulation auch die Lebensqualität Leben von MSA-Patienten verbessern liesse.
Trotzdem sei es wichtig, die Risiken des chirurgischen Eingriffs gegen die längerfristige Wirksamkeit der Behandlung abzuwiegen, merken die Forschenden an. Sie möchten die Ergebnisse nun in Studien mit mehr Patienten mit einer neurodegenerativen Erkrankung bestätigen und in Zukunft grössere klinische Studien durchführen.
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