Wettlauf mit dem VirusImpfstoff-Hersteller arbeiten an Updates – für alle Fälle
Von Lauran Neergaard, AP
12.12.2021 - 11:57
Noch ist unklar, in welchem Masse die bestehenden Mittel verändert werden müssen. Im Kampf gegen das Coronavirus machen sich die Anbieter aber lieber auf alles gefasst – schon allein, weil Omikron vermutlich nicht die letzte Mutation gewesen sein wird.
DPA, Von Lauran Neergaard, AP
12.12.2021, 11:57
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Es ist wie bei einem Feueralarm. Ob es tatsächlich brennt oder nicht – die Abläufe müssen sitzen. Und angesichts der Ausbreitung der Omikron-Variante kommt es laut Experten sehr darauf an, wie viel Zeit die Pharmabranche für Anpassungen benötigen wird. «Auch wenn es sich als Fehlalarm erweist – es wäre wirklich gut zu wissen, ob wir es schaffen können, einen neuen Impfstoff auf den Markt zu bringen und bereit zu sein», sagt der Immunologe E. John Wherry von der University of Pennsylvania.
Wie gut die etablierten Vakzine vor einer Omikron-Infektion schützen, wird noch geprüft. Einiges deutet aber darauf hin, dass die millionenfach verabreichten Dosen auch im Hinblick auf die neue Variante des Coronavirus zumindest teilweise ihren Zweck erfüllen. Laut vorläufigen Labortests können zwei Spritzen mit dem Mittel von Biontech nicht zwingend eine Ansteckung verhindern, wohl aber den Krankheitsverlauf mildern. Und eine Auffrischungsimpfung erhöht die Immunität demnach soweit, dass sogar beides erreicht werden kann.
Genauere Erkenntnisse werden im Laufe der kommenden Wochen erwartet. Die zuständigen Behörden in aller Welt verfolgen die entsprechenden Untersuchungen. Abhängig vom Ergebnis bleibt derweil auch die Frage zu klären, unter welchen Umständen ein massgeblich veränderter Impfstoff einzusetzen wäre: Wenn der Schutz gegen schwere Erkrankungen sinkt? Oder bereits dann, wenn sich eine neue Mutation noch schneller ausbreitet?
Fest steht, dass sich das Virus schneller bewegt als die Wissenschaft. Doch immerhin müssen die Hersteller von Impfstoffen nicht bei Null anfangen. Die bewährten Vakzine lösen im menschlichen Körper die Produktion von Antikörpern aus, die das sogenannte Spike-Protein, das das Coronavirus umhüllt, erkennen und angreifen. Die Technologie ist flexibel genug, um einfache Anpassungen zu ermöglichen.
Das mit dem deutschen Hersteller Biontech kooperierende US-Unternehmen Pfizer geht laut eigenen Angaben davon aus, der amerikanischen Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA bis März einen Impfstoff vorlegen zu können, der speziell auf die Omikron-Variante ausgerichtet ist. Etwa zur selben Zeit würden voraussichtlich einige erste Chargen zur Auslieferung bereit stehen, sagt Mikael Dolsten, der wissenschaftliche Leiter des Unternehmens, der Nachrichtenagentur AP.
Der Konkurrent Moderna gibt an, dass es voraussichtlich 60 bis 90 Tage dauern werde, bis ein Kandidat speziell zur Immunisierung gegen die Omikron-Variante für Tests verfügbar sei. Moderna hat genau wie Biontech und Pfizer einen sogenannten mRNA-Impfstoff entwickelt. Andere Hersteller, wie etwa Johnson & Johnson, die auf eine andere Technologie setzen, arbeiten ebenfalls an Updates ihrer Mittel gegen das Coronavirus.
Erste Ergebnisse geben Hoffung
Im bisherigen Verlauf der Pandemie hatten die zugelassenen Impfstoffe in ihrer ursprünglichen Form auch einen als hinreichend beurteilten Schutz gegen neue Varianten des Virus geboten. Und noch ist nicht ausgeschlossen, dass es auch im aktuellen Fall dabei bleiben könnte. Der US-Experte Anthony Fauci, der Präsident Joe Biden in Fragen der Gesundheitspolitik berät, hat die Hoffnung geäussert, dass mit einer als Booster-Impfung verabreichten dritten Spritze genügend Antikörper gebildet werden könnten, um die schwächere Immunität gegen Omikron auszugleichen.
Die am Mittwoch von Pfizer vorgelegten Labortest-Ergebnisse weisen tatsächlich in diese Richtung. Antikörper sind zudem nicht die einzige «Verteidigungslinie» des Körpers gegen das Virus. Die Impfstoffe regen auch sogenannte T-Zellen an, mit deren Hilfe bei einer Infektion ein schwerer Krankheitsverlauf verhindert werden kann. Und die vorläufigen Tests von Pfizer bestätigten die Annahme, dass diese wohl nicht von der Omikron-Variante beeinträchtigt werden.
Darüber hinaus entstehen mit jeder zusätzlichen Dosis sogenannte Gedächtniszellen, die neue und leicht andersartige Antikörper bilden können. «Man trainiert das Immunsystem wirklich nicht nur dahingehend, mit bestehenden Varianten besser zurechtzukommen, sondern es wird tatsächlich ein breiteres Repertoire erstellt, um auch mit neuen Varianten umzugehen», sagt Dolsten.
Neue Generation von Impfstoffen
Ob ein Impfstoff verändert werden muss, hängt letztlich natürlich auch von der Aggressivität einer Mutation ab. Omikron scheint sich leichter und damit schneller als die bisherigen Virus-Varianten auszubreiten. Erste Gutachten von Wissenschaftlern in Südafrika deuten aber auch darauf hin, dass die Infektionen milder bleiben. Wenn ein Impfstoff verändert wird, muss ungeachtet dessen natürlich zunächst die Wirksamkeit des angepassten Mittels überprüft werden. Der US-Immunologe Wherry geht davon aus, dass frühestens im Februar Daten von freiwilligen Testpersonen vorliegen werden.
Zu klären wäre dann auch noch, ob ein künftiger Schutz gegen Omikron in Form einer separaten Boosterspritze verabreicht werden sollte, oder ob er sich mit den bisherigen Mitteln kombinieren liesse – etwa wie bei einer Grippe-Impfung, die in der Regel gleich gegen mehrere Virus-Varianten schützt. Laut einer ersten Untersuchung von Moderna könnte dieses Prinzip durchaus auch bei der Corona-Impfung funktionieren.
Wissenschaftler arbeiten derweil auch schon an einer neuen Generation von Impfstoffen, die Bestandteile des Virus ins Visier nehmen, die für Mutationen weniger anfällig sind. Omikron sei «ein weiterer wichtiger Weckruf», sagt Wherry – und zwar nicht nur dahingehend, die ganze Welt zu impfen, sondern auch dahingehend, flexiblere Möglichkeiten zu schaffen, um diese Aufgabe zu erledigen.