Internationale StudieWeltmeere bedrohlich warm – «und das ist erst die Spitze des Eisbergs»
SDA
14.1.2020
Der Mensch pumpt so viel Energie in die Meere, als würde er jede Sekunde fünf Hiroshima-Bomben in den Ozeanen explodieren lassen: Mit einer neuen Studie schlägt ein internationales Forscherteam Alarm.
Die Weltmeere waren einer aktuellen Analyse zufolge im vergangenen Jahr so warm wie nie zuvor seit Beginn der globalen Erfassung. Die Erwärmung der Ozeane durch den Klimawandel beschleunige sich zudem, warnt ein Team von 14 Wissenschaftlern aus elf internationalen Instituten.
Die vergangenen zehn Jahre hätten die höchsten Temperaturen der Meere seit den 50er-Jahren gebracht, wobei die jüngsten fünf Jahre die jeweils wärmsten gewesen seien, geht aus der Untersuchung hervor, die im Fachmagazin «Advances in Atmospheric Sciences» vorgestellt wird.
Die Wissenschaftler verbanden ihre Warnung mit einem Aufruf zum Handeln, den Klimawandel zu stoppen. Die Folgen seien katastrophal. Steigende Meerestemperaturen führten zu Wetterextremen wie Wirbelstürmen und heftigen Niederschlägen. Auch seien sie einer der Hauptgründe dafür, dass es zu verheerenden Waldbränden wie gerade in Australien sowie in Kalifornien und im Amazonas-Gebiet komme.
3,6 Milliarden Hiroshima-Bomben
In den Meeren drohten Sauerstoffarmut, Schäden für Fische und andere Lebewesen. Thermische Ausdehnung lasse den Meeresspiegel ansteigen. Die Meerestemperatur bis in zwei Kilometer Tiefe habe im vergangenen Jahr um etwa 0,075 Grad über dem Durchschnitt von 1981 bis 2010 gelegen, heisst es in dem Papier, das führend von Cheng Lijing vom Institut für atmosphärische Physik (IAP) an Chinas Akademie der Wissenschaften (CAS) geschrieben wurde.
Der fortschreitende Eisrückgang in der Arktis hat Auswirkungen auf das ganze Ökosystem. Denn mit der Schmelze werden sonst im Meereis eingeschlossene Nährstoffe nicht wie sonst üblich im Nordpolarmeer verteilt.
Bild: E. Horvath/Alfred-Wegener-Institut/dpa
Um die Folgen eines sich ändernden Eis- und Stofftransport für das Ökosystem Arktis besser abschätzen zu können, werden Proben genommen, anhand derer sich die Menge an eingeschlossenen Materials bestimmen lässt.
Bild: M. Hoppmann/Alfred-Wegener-Institut/dpa
Das Satellitenbild, aufgenommen von einem ESA Satelliten am 26. März 2019, zeigt den Prozess der Neueisbildung entlang der russischen Küste (Laptew See). Dabei werden Algen, Schweb- und Nährstoffe an die Oberfläche gemischt und in das Eis mit eingebaut.
Bild: ESA/DriftNoise/AWI/dpa
Eisbrecher dürften in naher Zukunft nicht mehr allzu viel zu tun haben in der Arktis.
Bild: Keystone
Während der Klimawandel die Schifffahrt durch die Arktis vereinfacht, wird das Ökosystem schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Bild: Keystone
Die enorme Menge an Energie in Form von Wärme, die der Mensch über den Klimawandel in den vergangenen 25 Jahren in die Ozeane gesteckt habe, entspreche 3,6 Milliarden Atombombenexplosionen vom Ausmass wie im japanischen Hiroshima.
Die Forscher nutzten relativ neue Methoden des Instituts, um die Daten für die Erwärmung bis in 2000 Meter Meerestiefe zusammenzufassen. «Es ist wichtig zu verstehen, wie schnell sich die Dinge verändern», sagte John Abraham, Co-Autor und Professor an der University of St. Thomas in den USA. «Wer die globale Erwärmung verstehen will, muss die Meereserwärmung messen.»
«Es wird schlimmer»
So seien seit 1970 mehr als 90 Prozent der Erderwärmung in die Ozeane geflossen, während nur vier Prozent die Landfläche und die Atmosphäre erhitzt hätten. «Die globale Erwärmung ist real, und es wird schlimmer», sagte Abraham. «Und das ist erst die Spitze des Eisbergs von dem, was noch kommt.»
Bilder, die man so schnell nicht wieder vergisst: Die Extremtaucher Jill Heinerth und Mario Cyr laden zum Tauchgang in den Arktischen Ozean.
Bild: ARTE / SWR / Galafilm Productions
Gigantische Risse durchziehen mittlerweile die einst unverwüstlich scheinende Eisdecke der Arktis.
Bild: ARTE / SWR / Galafilm Productions
Die Arktis besticht (noch) durch eine vielfältige Tierwelt. Walrosse sind mit ihrer dicken Haut ideal an die Lebensbedingungen am Nordpol angepasst.
Bild: ARTE / SWR / Galafilm Productions
Die Filmcrew erlebt den Einfluss des Klimawandels hautnah mit. Weil Schmelzwasser das Camp überflutet, steht eine Evakuation an.
Bild: ARTE / SWR / Galafilm Productions
Immer häufiger sichtet man in der Arktis verzweifelte Eisbären auf der Suche nach Nahrung.
Bild: ARTE / SWR / Galafilm Productions
Die Menschheit könne aber etwas tun: «Wir können unsere Energie klüger nutzen, und wir können unsere Energiequellen diversifizieren», sagte der Forscher. «Wir haben die Macht, dieses Problem zu verkleinern.» Die Meere werden nach Angaben der Forscher allerdings lange brauchen, um auf Veränderungen zu reagieren.
Klimawandel: Rund um den Polarkreis ändert sich die Pflanzenwelt
Klimawandel: Rund um den Polarkreis ändert sich die Pflanzenwelt
Fanden Eisbären früher zwischen Zwergsträuchern etwas Ruhe, wachsen in der arktischen Tundra nun verstärkt höhere Gewächse.
Bild: Keystone
Die steigenden Temperaturen und die grössere Niederschlagsmenge dürften dafür verantwortlich sein.
Bild: Keystone
Die Durchschnittstemperatur ist an den Polarkreisen um bis zu 1,5 Grad Celsius gestiegen. So viel, wie an keinem anderen Ort der Erde.
Bild: Getty Images
Die Forscher analysierten die Vegetation an 120 Punkten in Alaska, Kanada, Island, Skandinavien und Sibirien.
Bild: Getty Images
Auch in den Alpen wurden Veränderungen der Vegetation festgestellt.
Bild: Getty Images
«Es ist wichtig, festzustellen, dass die Meereserwärmung voranschreitet, selbst wenn die weltweite Lufttemperatur an der Oberfläche bei oder unter zwei Grad stabilisiert werden kann», heisst es in dem Beitrag unter Hinweis auf die angestrebten Ziele des Pariser Klimaabkommens. Die Ozeane reagierten wesentlich langsamer. «Aber das Tempo und das Ausmass der Meereserwärmung und die damit verbundenen Risiken nehmen mit weniger Treibhausgasemissionen zumindest ab.»
Getrieben vom Eis – Arktis-Expedition soll Klimawandel untersuchen
Getrieben vom Eis – Arktis-Expedition soll Klimawandel untersuchen
Das Forschungsschiff Polarstern liegt eingefroren im Eis der Zentralarktis.
Bild: Manuel Ernst/Alfred-Wegener-Institut, Helmhol/dpa
Der Forschungseisbrecher «Polarstern» (links) und der russische Eisbrecher «Akademik Fedorov» (rechts) liegen zwischen arktischen Eisschollen. Bereits nach wenigen Tagen hatten Wissenschaftler der Mosaic-Expedition eine Eisscholle gefunden, auf der sie das Forschungscamp für die einjährige Drift durch das Nordpolarmeer aufbauen wollen.
Bild: Esther Horvath/Alfred-Wegener-Institut/dpa
Der Eisbrecher «Polarstern» auf einer früheren Forschungsfahrt.
Bild: Keystone/dpa/Archiv
Nach dem Vorbild einer Expedition vor 125 Jahren lässt sich das deutsche Forschungsschiff 350 Tage im Nordpolarmeer einfrieren.
Bild: dpa
Die «Polarstern» soll sich ohne eigenen Antrieb von der natürlichen Drift des Eises über die Polkappe treiben lassen. Die Forschungsreise hat fünf Schwerpunkte: die Physik des Meereises und der Schneeauflage, die Prozesse in der Atmosphäre sowie im Ozean, die chemischen, biologischen und physikalischen Kreisläufe sowie das Ökosystem der Arktis.
Bild: Keystone/dpa
Während der Expedition werden an Bord der «Polarstern» jeweils rund 100 Menschen sein, die Hälfte Besatzungsmitglieder, die andere Hälfte Wissenschaftler.
Bild: dpa
Die «Polarstern» ist im September 2019 im norwegischen Tromsø in See gestochen. Die Frauen und Männer an Bord werden von vier anderen Eisbrechern versorgt. Für Versorgungsflüge und zwei Forschungsflugzeuge wird ausserdem eine Landebahn auf dem Meereis gebaut.
Bild: dpa
Er ist womöglich der wichtigste Mann an Bord: Sven Schnieder, Koch auf dem Forschungsschiff Polarstern, steht in der Küche des Schiffes. Schnieder ist für das leibliche Wohl von über 100 Menschen zuständig.
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