Winzige Kanäle Mediziner entdecken unbekannte Struktur im Menschen

29.3.2018

Illustration des Interstitiums unter der oberen Hautschicht. Foto: Jill Gregory/Mount Sinai Health System
Illustration des Interstitiums unter der oberen Hautschicht. Foto: Jill Gregory/Mount Sinai Health System
Source: Jill Gregory

Trotz vieler Studien ist eine Struktur unentdeckt geblieben, die den Körper durchzieht. US-Mediziner entdeckten das flüssigkeitsgefüllte Netzwerk durch Zufall. Es könnte offene Fragen zur Ausbreitung von Krebs erklären und neue Diagnosemöglichkeiten eröffnen.

Mediziner haben im Körper ein Netzwerk entdeckt, das den Organismus durchzieht und möglicherweise an der Ausbreitung von Krebs beteiligt ist. Es gehört zum sogenannten Interstitium, dem Zwischengewebe, das unter der Haut liegt, aber auch Lungen, Verdauungstrakt und Harnwege auskleidet.

Neuentdecktes Netz von Hohlräumen

Das Interstitium steht zudem in Verbindung mit Blutgefässen, Lymphsystem und Muskelgewebe. Zwar war es als festes Gewebe schon bekannt. Doch nun berichten US-Forscher im Fachblatt «Scientific Reports» von einem Netz von Hohlräumen darin, die Flüssigkeit enthalten und den Körper durchziehen. Ein deutscher Experte spricht von einer wichtigen Erkenntnis, ein neuentdecktes Organ könne man dies aber nicht nennen.

Die Hohlräume waren den Forschern zufolge bisher unentdeckt geblieben, weil die chemische Fixierung von Gewebeproben zwar Zellelemente und Strukturen bewahrt, ihnen aber viel Flüssigkeit entzieht, so dass das Netzwerk kollabiert. Daher gingen Forscher bisher davon aus, dass es sich um dichtes Gewebe handele - ohne um Hohlräume, die mit Flüssigkeit gefüllt sind.

«Der durch die Fixierung entstandene Kollaps hat dafür gesorgt, dass das flüssigkeitsgefüllte Gewebe, das den ganzen Körper durchzieht, jahrzehntelang in Biopsieproben fest erschien», sagt Studienleiter Neil Theise vom Mount Sinai Beth Israel Medical Center in New York. «Diese Erkenntnis hat das Potenzial für dramatische Fortschritte in der Medizin, darunter die Möglichkeit, dass Proben der Interstitialflüssigkeit ein wichtiges Diagnosewerkzeug werden.»

Netzwerk zur Verbreitung von Signalstoffen

Anscheinend dienen die winzigen Kanäle unter anderem als Puffer, wenn sich Gewebe zusammenzieht oder ausdehnt, um die Elastizität zu gewährleisten. Die Forscher vermuten auch, dass etliche Stoffe sich durch das Netzwerk verbreiten können, darunter Signalstoffe wie etwa Hormone oder auch Krebszellen.

Das Team um Theise kam der Entdeckung mit einem relativ jungen Verfahren auf die Spur. Mit der sogenannten Konfokalen Laserendomikroskopie (CLE) lässt sich lebendes Gewebe genau untersuchen. Mit dem Verfahren hatten Ärzte des Krankenhauses 2015 den Gallengang eines Patienten analysiert. Dabei entdeckten sie miteinander verbundene Hohlräume, die bislang noch nicht anatomisch beschrieben waren.

Bei der späteren pathologischen Untersuchung war die netzartige Struktur dann verschwunden. Weitere Analysen dieser fixierten Proben zeigten, dass bestimmte Strukturen Rückstände der kollabierten Hohlräume waren. Andere Untersuchungen zeigten, dass das nun entdeckte System den ganzen Körper durchzieht. Würde man das Interstitium als Organ betrachten, würde es zu den grössten im Körper zählen.

Wichtige Erkenntnis, aber kein neues Organ entdeckt

«Die Entdeckung ist sicherlich wichtig, aber es handelt sich nicht um ein neues Organ», sagt Christian Trautwein von der Uniklinik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. «Das Interstitium ist eine Grenzschicht an der Oberfläche vieler Organe und anderer Körperbereiche, die für Elastizität sorgt.» Er ist auch Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und vermutet, dass das Netz nicht nur als mechanischer Puffer dient, sondern auch eine Abwehrfunktion hat und Stoffe durch den Körper transportiert.

Dies zu klären, werde aber noch länger dauern, weil das Interstitium vermutlich je nach Organ verschiedene Aufgaben erfülle. So sei die Grenzfläche etwa im Verdauungstrakt zusätzlich wahrscheinlich sowohl an der Aufnahme von Nährstoffen beteiligt als auch an der Abwehr von Infektionen.

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