Auch in der Schweiz nicht ausgerottet Noch immer Masern in Europa: Woran liegt das?

Von Maria Cheng, AP

8.3.2018

Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer unakzeptablen Tragödie. Während in manchen Teilen der Welt die Masern praktisch ausgerottet sind, hat die Zahl der Fälle in Europa zugenommen. Woran liegt das?

Mehr als 21'000 Fälle von Masern hat es 2017 in Europa gegeben. Das sind vier Mal so viel wie im Jahr davor. In der Schweiz gibt es jährlich etwa 50 Masernfälle, im vergangenen Jahr waren es 105. Bei Epidemien kann die Zahl auf rund 2000 Erkrankte steigen, wie das Bundesamt für Gesundheit BAG auf der Homepage schreibt.

35 Menschen sind 2017 an der Krankheit gestorben. So hat denn auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich Alarm geschlagen. Sie spricht von einer Tragödie, die nicht akzeptabel sei. Mit mehr als jeweils 5000 Fällen waren Rumänien und Italien, wo eine Kampagne für Schutzimpfungen sogar zu einem führenden Thema bei der Parlamentswahl am Sonntag wurde, die Spitzenreiter.

Zwar sind Masern weiterhin ein grösseres Problem in Teilen Afrikas und Asiens. Ausbrüche dort können sich bei unterernährten Kindern und Tuberkulose- oder Aidskranken besonders verheerend auswirken. Die meisten der 89'000 jährlichen Sterbefälle durch Masern kommen in Entwicklungsländern vor.

Dagegen sollte man eigentlich annehmen, dass sie in Europa ausgerottet sind. Warum nicht? Ein Überblick.

Warum verbreiten sich Masern so schnell?

Masern zählen zu den ansteckendsten Krankheiten auf der Welt. Das Virus wird über kleine Tröpfchen in der Luft übertragen, beim Husten, Niesen oder sogar auch beim Sprechen. Die Krankheit kann durch einen Impfstoff verhindert werden, der seit den 1960ern verwendet wird. Experten sagen, dass Impfraten von mindesten 95 Prozent nötig sind, um Epidemien zu verhindern.

In einigen italienischen Regionen liegt die Rate bei 85 Prozent - eine der niedrigsten in Europa.

Epidemien hat es auch in der Ukraine, Griechenland und Rumänien gegeben, wo die Gesundheitsbehörde insgesamt einen Rückgang der Zahl von Impfungen, Nachschubprobleme und mangelhafte Systeme zur Krankheitsüberwachung festgestellt haben.

Warum Europa?

Hier ist in vielen Teilen der Region die Skepsis gegenüber Impfungen nach vergangenen Problemen weiterhin sehr gross. In Frankreich wurde eine nationale Werbekampagne für Immunisierungen gegen Hepatitis B 1990 wegen Besorgnissen über mögliche schlimme Nebeneffekte ausgesetzt - und das wirkt immer noch nach. Und während der Schweinepest-Pandemie 2009 gab es zahlreiche europäische Stimmen, die eine Kampagne für Impfungen gegen die Krankheit auf unzulässigen Einfluss von Arzneimittelherstellern auf die WHO zurückführten.

Eine von Forschern an der London School of Hygiene and Tropical Medicine im Jahr 2016 geleitete Studie ergab, dass Europa die Region mit den stärksten Zweifeln an der Impfstoff-Sicherheit ist.

Warum ist der Impfstoff so umstritten?

1998 hat der britische Wissenschaftler Andrew Wakefield im Fachjournal «Lancet» ein Papier veröffentlicht, in dem eine Verbindung zwischen der Impfstoffkombination gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) und Autismus hergestellt wurde. Keine andere Studie hat so etwas bestätigt, und das Papier wurde später zurückgezogen. Zehn der Co-Autoren widerriefen die Schlussfolgerungen, und Wakefield wurde wegen «ernsten beruflichen Fehlverhaltens» die Lizenz zum Praktizieren in Grossbritannien entzogen.

Nachdem das Papier veröffentlicht worden war, sanken die Impfraten in Grossbritannien, den USA und anderswo. In Europa kam es zu Jahren mit Masern-Epidemien.

Wie wirksam ist der Impfstoff?

Eine volle MMR-Dosis - ein Standardbestandteil der Immunisierung von Kindern in vielen Ländern, gilt als zu 97 Prozent erfolgreich bei der Verhinderung von Masern. Die Krankheit beginnt mit grippeähnlichen Symptomen gefolgt von einem charakteristischen Hautausschlag am Hals und im Gesicht. Während die meisten Erkrankten gesund werden, zählen Masern der WHO zufolge zu den führenden Todesursachen bei kleinen Kindern. Bei diesen und Erwachsenen im Alter von über 30 Jahren kommen ernste Komplikationen wie Gehirnschwellungen und Blindheit häufiger vor als in anderen Altersgruppen.

Dank Impfprogrammen sind die Masern in Nord-und Südamerika ausgerottet, und viele andere Länder haben das Ziel verkündet, das bis 2020 zu erreichen.

Wie können höhere Impfraten erreicht werden?

Eine Strategie ist, Impfungen gegen bestimmte Krankheiten gesetzlich vorzuschreiben und Kinder nicht zur Schule zuzulassen, bis sie nachweisbar geimpft worden sind. Italien hat kürzlich ein neues Gesetz vorgelegt, das Eltern zur Impfung ihrer Kinder gegen Masern und neun andere Kinderkrankheiten verpflichtet. Rumänien hat ein ähnliches Gesetz verabschiedet, nach dem Eltern, die ihre Kinder nicht immunisieren lassen, mit saftigen Geldbussen rechnen müssen.

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