Ein internationales Team mit Beteiligung der Universität Zürich liefert Hinweise, dass weniger graue Substanz im Gehirn risikofreudiger macht. Gene allein scheinen das Risikoverhalten hingegen kaum zu beeinflussen, wie sie im Magazin «Nature Human Behavior» berichten.
Warum fährt eine Person gerne einmal über dem Tempolimit? Warum verlässt man eine feste Arbeitsstelle, um ein Start-up zu gründen und warum nehmen einige Menschen die gesundheitlichen Risiken des Rauchens in Kauf?
Das Forschungsteam unter der Leitung des Neuroökonomen Gökhan Aydogan von der Uni Zürich und des US-Forschers Gideon Nave von der University of Pennsylvania zeigten nun in einer Gruppe von mehr als 25'000 Menschen, wie eine genetische Veranlagung zu riskantem Verhalten im Gehirn verankert ist.
Demnach gibt es nicht nur ein «Risikoareal» im Gehirn. Sie entdeckten Unterschiede im Hypothalamus, im Hippocampus, im Dorsolateralen Präfrontalen Cortex sowie in der Amygdala, wie die Universität Zürich am Donnerstag mitteilte.
Kleinhirn steuert Risikoverhalten
Tatsächlich überrascht waren die Forschenden allerdings vom Kleinhirn, das eine wichtige Rolle zu spielen scheint. «Im Hirn von risikobereiteren Personen fanden wir weniger graue Substanz in diesen Arealen», sagte Aydogan. Das ist ein erstaunlicher Befund, denn frühere Arbeiten ignorierten das Kleinhirn in den Analysen.
Für ihre Studie kombinierte das Team die Daten der UK Biobank, einer grossen Langzeitstudie in Grossbritannien mit Gesundheitsdaten von rund einer halben Million Menschen. Darin finden sich unter anderem Scans des gesamten Gehirns der Probanden, genetische Daten sowie Selbsteinschätzungen. Von letzterem fokussierten sich die Forschenden auf Rauchen, Alkohol trinken, häufig wechselnde Sexualpartner und das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beim Fahren.
Weniger als zwei Prozent sind die Gene
In einem zweiten Schritt untersuchte das Team eine Gruppe von 300'000 Menschen, um den tatsächlichen Einfluss des Erbguts auf die Risikofreude zu bestimmen. Fazit: Die Gene erklären weniger als zwei Prozent der Variation im Risikoverhalten.
«Risiken einzugehen ist eine sehr komplexe Verhaltensweise», sagte Aydogan im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. So spielten eine Vielzahl von Faktoren in diese Eigenschaft hinein, etwa ausgeschüttete Botenstoffe, die Anzahl und die Verbindungen der Neuronen – und vor allem erlerntes Verhalten, und damit die Umwelt. So tragen laut dem Neuroökonomen etwa das Risikoverhalten der Familie und von Freunden sowie das sozioökonomische Umfeld einen «erheblichen» Teil zur eigenen Risikofreude bei.
Den Genen nicht ausgeliefert
«Die Studie zeigt, dass wir unseren Genen nicht machtlos ausgeliefert sind», sagte er. Ein wichtiger Punkt, denn allein in den USA belaufen sich die ökonomischen Kosten von risikofreudigen Verhaltensweisen auf hunderte Milliarden Dollar jährlich, wie Zahlen der US-Seuchenschutzbehörde CDC zeigen.
Aydogan betont allerdings, dass die soeben veröffentlichte Studie nicht abschliessend beantworte, wie genau Umwelt und Gene auf das Gehirn wirken, und somit das Risikoverhalten beeinflussen. Dafür sei weitere Forschung nötig.
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