Raumfahrt Schweizer Teams sicherten sich Beobachtungszeit am Webb-Teleskop

stsc, sda

22.12.2021 - 09:01

Voraussichtlich am Samstag soll das Weltraumteleskop «James Webb» seine 1,5 Millionen Kilometer lange Reise ins All antreten. Auch Schweizer Forschende dürfen sich freuen, wenn das bisher grösste und leistungsstärkste Teleskop ins Universum geschossen wird.

Keystone-SDA, stsc, sda

Mehrere Teams von Schweizer Hochschulen konnten sich begehrte Beobachtungszeit mit dem James Webb-Weltraumteleskop sichern, welches Rätsel aus der Frühzeit des Kosmos lösen und dem Ursprung des Lebens seine Geheimnisse entlocken soll.

Ein Team der ETH Zürich um den Astrophysiker Adrian Glauser war an der Entwicklung eines der vier Instrumente an Bord des Weltraumteleskops beteiligt. Es handelt sich um das Instrument mit dem Namen «Miri» (Mid Infrared Instrument). Dieses wird das Licht von fernen Sternen und frühen Galaxien erfassen und insbesondere für die Entdeckung und Charakterisierung von Exoplaneten wertvoll sein. Dank der direkten Beteiligung an der Entwicklung haben die Zürcher Forscher das Privileg einer garantierten Beobachtungszeit.

Detaillierter Blick auf Exoplaneten

Die Gruppe um Glauser wird sich insbesondere auf die Charakterisierung von Exoplaneten konzentrieren – «auf die spannendsten, bisher entdeckten Exoplaneten», so der Astrophysiker im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dazu gehören beispielsweise die Planeten des Trappist-1-Systems. Bereits frühere Studien warfen die These auf, dass sich auf den äussersten Trappist-1-Planeten flüssiges Wasser befinden könnte – was Leben ermöglichen könnte.

«Eindeutige Belege für Leben werden wir mit James Webb nicht finden, aber mit den neuen Instrumenten lassen sich die Atmosphären der Planeten viel genauer charakterisieren», sagt Glauser. So liesse sich mit dem neuen Weltraumteleskop grundsätzlich auch Methan nachweisen – ein Molekül, das ein Hinweis auf Leben sein kann. Allerdings sei das Signal für die Trappist-Planeten vermutlich zu schwach, um einen potentiellen Methan-Fingerabdruck zu entdecken, so der ETH-Forscher.

Harter Wettbewerb

Forschende, die nicht direkt an der Entwicklung des James Webb-Teleskops beteiligt waren, mussten sich um Beobachtungszeit bewerben. Von den über tausend Anträgen wurde knapp jeder vierte gutgeheissen. Dazu gehört ein Projekt von der Universität Bern, das sich ebenfalls mit Exoplaneten beschäftigt.

So richten die Berner Astrophysiker Matthew Hooton und Yann Alibert den Blick auf sechs Exoplaneten, die den über 200 Lichtjahre entfernten Stern TOI-178 umkreisen. Es ist ein ungewöhnliches System, da die Planeten ihr Muttergestirn in einem harmonischen Rhythmus umrunden und zudem eine wilde Mischung an verschiedensten Dichten aufweisen. Mit dem James Webb-Teleskop wollen die Forschenden nun Informationen über die Atmosphären von drei der Planeten gewinnen.

Suche nach den frühesten Galaxien

Auch an der Universität Genf warten mehrere Forschungsgruppen «ungeduldig» auf den Start der Ariane-5-Trägerrakete in Französisch-Guayana, die das Weltraumteleskop ins All bringen soll. Dies verriet Daniel Schaerer, Astrophysiker am Observatorium der Hochschule, gegenüber Keystone-SDA. So werden er und sein Team beispielsweise Galaxien untersuchen, die 2,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden sind.

Seine Kollegin Miroslava Dessauges wiederum nimmt eine ganz besondere Galaxie ins Visier: die «Kosmische Schlange». Dabei handelt es sich um eine sechs Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie, die aus mehreren gigantischen Sternhaufen-Klumpen zusammengesetzt ist.

Unvorstellbar weit zurück blicken die Astrophysiker Robert Feldmann von der Universität Zürich und Pascal Oesch von der Universität Genf. Sie sind Teil des internationalen Programms «Uncover». Ziel des Konsortiums ist es, die ersten Galaxien im Universum aufzuspüren, die 300 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall geboren wurden. Zudem möchten sie herausfinden, wie viele extrem lichtschwache Galaxien im frühen Universum existierten sowie die Galaxienmassen und Sternentstehungsraten genau bestimmen.

«Ein schönes Weihnachtsgeschenk»

Die systematischen Beobachtungen werden frühestens in sechs Monaten beginnen. So lange dauert es, das Teleskop in die Sonnenumlaufbahn zu bringen, es zu entfalten, die Instrumente zu kalibrieren und zu testen. Auch der ETH-Astrophysiker Adrian Glauser wird nach dem Start in der Einsatzzentrale der Mission in Baltimore (USA) mithelfen, das von ihm mitentwickelte Instrument zu steuern, bevor es später autonom wird arbeiten können.

«Ich spüre schon eine gewisse Nervosität, aber vor allem Vorfreude», sagt Glauser: «Es ist ein grosser Moment, auf den wir 18 Jahre hingearbeitet haben.» Dass der Start zunächst auf den 24. Dezember verschoben wurde und nun erst am 25. Dezember stattfinden dürfte, sieht er dementsprechend als «ein schönes Weihnachtsgeschenk».