Solaranlagen Seilziehen um erstes Solardach auf einer historischen Kirche

uj, sda

20.9.2023 - 12:24

Die über 500 Jahre alte reformierte Kirche im bündnerischen Trin erhält ein Solardach – als erste historische Kirche in Graubünden und möglicherweise sogar im ganzen Land. Als Präzedenzfall stiess das Vorhaben auf einigen Widerstand bei Denkmalpflege und Gemeinde.

Keystone-SDA, uj, sda

Eine Übersicht über Solaranlagen auf sakralen Bauwerken in der Schweiz gibt es nicht. In Graubünden trägt nur die reformierte Kirche in Landquart von 1908 Solarzellen auf dem Dach.

Schweizweit sind es mindestens ein Dutzend Gotteshäuser, alle jüngeren Datums. Bei aktuellen Recherchen zum Thema stiess die Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf keines, das weiter zurück datiert als ins frühe 20. Jahrhundert.

Die reformierte Kirche in Trin in der Surselva hingegen wurde bereits 1491 im Bergdorf erbaut. Der spätgotische Bau ist zwar nicht denkmalgeschützt, ist aber Teil des geschützten Ortsbildes und im Kulturgüterschutzinventar des Bundes verzeichnet.

In diesen Tagen werden alle Dachziegel durch randlose Fotovoltaikmodule ersetzt. Das rote Dach verwandelt sich in ein mattschwarzes. Die kleine Kirchgemeinde hat seit 2017 für die knapp 300 Quadratmeter grosse Anlage gekämpft, allen voran und bis zum Schluss der damalige Kirchgemeindepräsident Jürg Scheidegger.

Denkmalpflege früh beigezogen

«Wir haben von Anfang an das Gespräch mit der Denkmalpflege gesucht und weitreichende Zugeständnisse gemacht», berichtet Scheidegger im Gespräch mit Keystone-SDA. Ursprünglich habe man wegen der Wirtschaftlichkeit nur die Dach-Südseite mit Solarzellen versehen wollen. Nun sei es das ganze Dach mitsamt der komplexen dreieckigen Dachflächen über dem Chor. Die Kosten hätten sich dadurch mehr als verdoppelt – auf 190'000 Franken.

Die Gemeinde lehnte das Baugesuch laut Scheidegger trotzdem ab, mit Verweis auf die ablehnende Haltung der Denkmalpflege. Da die Kirche nicht denkmalgeschützt ist, konnte letztere zwar kein Veto einlegen, sondern nur eine Beurteilung abgeben. Diese war aber negativ und verfehlte ihre Wirkung bei der Gemeinde zunächst nicht.

«Die Passivität von gewählten Entscheidungsträgern, die den Volkswillen zur Energiewende umsetzten sollten, war erschreckend», sagt dazu der Ex-Kirchgemeindepräsident. Positive Rückmeldungen habe es hingegen von Anfang an aus der Dorfbevölkerung gegeben.

Kirche als Denkmal

«Für die Denkmalpflege ist die Trinser Kirche sicher ein schutzwürdiges Objekt, durch die prominente Stellung im Dorf und aufgrund der historischen Substanz», erklärt der kantonale Denkmalpfleger Simon Berger auf Anfrage. Es gehe nicht zuletzt um die Symbolik, das die Kirche als Denkmal auch ohne Unterschutzstellung habe. Zudem sei das Solardach ein Eingriff ins geschützte Ortsbild.

Das Argument der Kirchgemeinde, die Kirche habe ursprünglich ein schwarzes Holzschindeldach gehabt, womit die Fotovoltaik-Anlage eine Annäherung an den Originalzustand sei, lässt der Denkmalschützer nicht gelten: «Wir versuchen nicht nur ein Bild zu erhalten, sondern die tatsächlich vorhandene Substanz.» Dabei gehe es um die Substanz, die da sei und nicht um das, «was noch da sein könnte».

Diese Aussage lässt wiederum Scheidegger ratlos. «Ich kann nicht verstehen, dass man so einen Unterschied macht zwischen Ziegel, Eternitplatte und Solarmodul», sagt er. Wo es sich doch um eine sogenannte Indachanlage handle, welche die Dachziegel ersetze und nicht einfach oben drauf montiert sei.

Neuen Schwung in die verfahrene Geschichte brachte schliesslich ein Wechsel im Gemeindevorstand, der teilweise neu gewählt wurde. Obwohl die Kirchgemeinde nur noch minimale Anpassungen am Solarvorhaben vornahm, erhielt sie im November 2022 die Baubewilligung.

Signalwirkung befürchtet und gewünscht

Denkmalschützer Berger befürchtet nun die Signalwirkung, die das Projekt als «erstes dieser Art» sicher haben werde. Genau das aber ist die Absicht der Kirchgemeinde.

Stand am Anfang die Idee, die aus baulichen Gründen elektrisch beheizte Kirche mit selbstproduziertem Strom zu versorgen, kam mit dem Projekt die Begeisterung für Solarstrom. «Wir wollen ein Leuchtturmprojekt realisieren und aufzeigen, dass so was auf historischen Gebäuden möglich ist, wenn man es optisch bestmöglich umsetzt», sagt Scheidegger.

Gerade die Sichtbarkeit der Anlage auf dem Dach sei für die Kirchgemeinde interessant. «Wir zeigen klar, dass wir nicht nur predigen, sonder auch etwas machen für die Energiewende und für künftige Generationen.» Schliesslich sei die Bewahrung der Schöpfung ein Kernauftrag der Kirche.