Waren bei ihrer Geburt die Zeiten schlecht, verkürzten die Menschen ihre Lebensphasen. Eine hohe Sterblichkeit in ihrem Umfeld während der ersten fünf Lebensjahre brachte beispielsweise die Menschen in Belgien im vorletzten Jahrhundert dazu, früher zu heiraten.
Mitte des 19. Jahrhunderts, ein paar Jahrzehnte nachdem die industrielle Revolution das Land umgekrempelt hatte, litten die Belgier Hunger: Weil die Bevölkerung schneller wuchs als die landwirtschaftliche Produktion, waren Nahrungsmittel knapp. 1845 zerstörte der Kartoffelmehltau 90 Prozent der Kartoffelernte, Zusätzlich halbierte schlechtes Wetter 1846 die Roggenernte und jene von Weizen blieb unterdurchschnittlich.
Die Menschen hatten zu wenig zu Essen und die Sterblichkeit stieg teils um 40 Prozent. Die Krise traf aber die einzelnen Regionen unterschiedlich hart: In manchen Gemeinden überlebten etwa im Jahr 1847 alle Einwohner, während es in anderen 100 Todesfällen pro 1000 Einwohnern gab.
Forscher um die Wiener Anthropologin Katharina Pink haben diesen Unterschied genutzt, um längerfristige Auswirkungen von Hungersnöten zu untersuchen und die «Life-history Theorie» zu überprüfen. Diese besagt, dass Organismen ihre Lebenszyklusstrategie den vorhandenen Ressourcen anpassen.
Die Forscher verglichen anhand von Daten aus Volkszählungen, Standesamtseinträgen und Jahrbüchern die Lebensläufe von Menschen, die damals in stärker und weniger betroffenen Gemeinden geboren wurden. Gemäss der «Theorie der Lebensgeschichte» sollten jene, die ihre ersten Lebensjahre in einer Krisenzeit in einem Krisengebiet verbracht haben, die späteren Lebensphasen schneller durchlaufen.
Dinge erledigen, bevor es zu spät ist
Das war tatsächlich der Fall: Männer und Frauen, die als Babys und Kleinkinder in einer Gemeinde mit hoher Sterblichkeit lebten, heirateten im Schnitt um zwei bis drei Jahre früher als solche, die in weniger betroffenen Gemeinden aufwuchsen. Weil das Kinderkriegen in jener Zeit eng mit dem Ehestand verknüpft war, hatten sie wohl früher Nachwuchs und durchliefen auch andere Lebensphasen schneller: Wenn ein früherer Tod droht, leben die Menschen mehr im Hier-und-Jetzt und «erledigen» Dinge, bevor es zu spät sein könnte.
Weil sich das Phänomen schon in der frühesten Kindheit und vielleicht sogar schon im Mutterleib manifestiert, vermuten die Forscher einen biologischen Hintergrund.
Die Studie wurde im Fachjournal «Proceedings of the Royal Society B» veröffentlicht.
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