Vom Aussterben bedroht Vom Aussterben bedroht: Auf den Spuren der mysteriösen Riesenhaie

Maria Cheng, AP

1.3.2018

Gross wie ein Doppeldecker, voller Rätsel: Der Walhai entzieht sich der Forschung. Die setzt nun auf direkte Begegnung an den Galapagos-Inseln, im Wettlauf mit der Zeit. Denn die Meeresgiganten sind vom Aussterben bedroht.

Es ist der grösste Fisch der Ozeane. Und eines ihrer grossen Rätsel. Der Walhai schafft es trotz seiner Grösse, sich den Forschern in den Tiefen des Meeres zu entziehen. Im Wasser um die Galapagos-Inseln haben Wissenschaftler jetzt ein Projekt gestartet, um dem vom Aussterben bedrohten Koloss auf die Spuren zu kommen.

Seite an Seite mit den gräulich, bräunlich oder bläulich gefärbten und mit Flecken überzogenen Tieren schwammen die Forscher im Sommer und Herbst über Wochen hinweg durch das Meer. Sie beobachteten, versuchten sich an Ultraschallaufnahmen und entnahmen sogar Blutproben – Techniken, die so zuvor noch nie in freier Wildbahn an den Tieren angewandt wurden.

Die Fischgiganten liessen sie gewähren. Anders als die beeindruckende Gestalt mit dem breiten Maul es fürchten lassen mag, ist der Walhai von gutmütiger Natur. Auch der Speiseplan sieht keine menschliche Beigabe vor: Die Zähne sind winzig und nahezu nutzlos. Als Nahrung dienen Plankton und andere Kleinstlebewesen, die aus dem Wasser gefiltert werden, sowie Fischeier und winzige Fische.

Was sonst noch bekannt ist von den sanften Riesen, ist naturgemäss das Aussehen. Während der Rücken die tarnenden Punkte aufweist, ist der Bauch heller gefärbt. Das Maul erstreckt sich über die Breite der flachen Schnauze. Auch wenn die Walhaie von der Masse eher Walen gleichen, verweist der erste Namensbestandteil nur auf diese Ähnlichkeit.

Walhaie sind Haie. Im Vergleich mit anderen Haien sind sie allerdings nicht besonders schnell. Doch ein Schlag mit dem Schwanz lässt sie immer noch mit einer höheren Geschwindigkeit durchs Wasser schiessen, als sie je ein Schwimmer erreichen kann.

Weibchen mit 300 Embryonen im Bauch gefunden

Die Tiere, die eine Grösse von sechs bis 16 Meter erreichen und mehr als 20 Tonnen schwer werden, lieben die warmen Gewässer der Tropen und Subtropen. Regelmässig sind Schwärme auf Nahrungssuche in wohltemperierten Gegenden rund um den Globus zu finden: in Gewässern vor Australien, den Philippinen, Mexiko oder auch in den Ölfeldern vor Katar. Zu bestimmten Zeiten im Jahreslauf kommen hier Hunderte Tiere zusammen – vor allem junge Männchen. Eine der offenen Fragen ist, wo sich in dieser Zeit die Weibchen aufhalten.

In den Weiten der Ozeane finden die Tiere noch genügend Verstecke fernab menschlicher Beobachtung. So berichtete der französische Meeresforscher Jacques Cousteau (1910-1997) aus all seinen Jahrzehnten der Erkundung von lediglich zwei Exemplaren, die ihm zu Gesicht kamen. Um den Wegen der Walhaie zu folgen und mehr über ihr Leben herauszubekommen, haben Meeresbiologen in den vergangenen Jahren immer wieder Tiere mit Peilsendern ausgestattet.

Doch das sind bisher nur wenige. «Die Millionen-Dollar-Fragen sind: Wo paaren sie sich, wo jagen sie, und wo leben ihre Jungen?», sagt Jonathan Green, Direktor des Galapagos-Walhai-Projekts. Bislang bekamen die Forscher nur ein schwangeres Walhai-Weibchen in die Hände: 1995 wurde ein totes Tier vor der Küste Taiwans gefunden, mit 300 Embryonen im Bauch. Damit bekamen die Wissenschaftler Gewissheit, dass die Walhaie zu den lebendgebärenden Arten gehören. Die Babys im Haibauch waren dabei in unterschiedlichen Entwicklungsstadien.

Einzigartige Fleckenmuster erlauben Identifizierung

Die Galapagos-Inseln gehören zu den wenigen Orten auf der Welt, wo regelmässig mutmasslich schwangere Walhaie auftauchen. Fast alle der Tiere, die dort identifiziert wurden, waren Weibchen – viele mit geschwollenem Bauch, was auf Babys hindeuten könnte. Einige Wissenschaftler vermuten, dass die Tiere zum Gebären in extreme Tiefen abtauchen oder weiter in den offenen Ozean schwimmen. Andere glauben an eine Geburt näher an Peru, nachdem dort kürzlich zwei neugeborene Walhaie entdeckt wurden.

Mittlerweile gibt es auch eine internationale Datenbank, in der bislang rund 8000 Walhaie erfasst sind. Identifizieren lassen sich die Tiere über ihre Fleckenmuster. Diese sind einzigartig und praktisch so etwas wie der Fingerabdruck der Haie. In den USA und Japan arbeiten Wissenschaftler auch an der Sequenzierung des Walhai-Genoms.

Bei ihrem Unter-Wasser-Einsatz im Galapagos-Archipel gelang es den Wissenschaftlern, Blut von zwei Tieren zur Untersuchung zu gewinnen. Auch die Ultraschall-Vorstösse waren noch nicht so erfolgreich wie erhofft. Dazu seien stärkere Geräte nötig, meint Direktor Green. Die meisten sind für bis zu fünf Zentimeter dicke Bauchwände ausgelegt – die von Walhaien wird rund 20 Zentimeter dick. Der nächste Galapagos-Einsatz ist aber noch für dieses Jahr geplant.

Forschung in Wettlauf mit der Zeit

Daneben statteten die Forscher sieben Haie mit Sendern aus. Das klingt nicht viel, ist den Wissenschaftlern aber dennoch wichtig, weil sie bislang nur wenigen Tieren nachspüren können. «Wenn man so wenige Datenträger hat, ist jeder einzelne Hai von Bedeutung», betont auch Robert Hueter vom Zentrum für Haiforschung am Mote-Meereslabor in Florida. «Das ist nicht wie bei Goldfischen, wo man Hunderte Exemplare auf einmal haben kann.»

Die Forschung liefert sich dabei einen Wettlauf mit der Zeit. Nach Jahren der Jagd und Überfischung sind die Walhaie äusserst gefährdet. Noch immer nehme ihre Zahl ab, sagt Simon Pierce von der Forschungsstiftung Marine Megafauna Foundation. Der Klimawandel könnte die Tiere nach Ansicht mancher Biologen noch weiter bedrohen.

Für Green, den Leiter des Galapagos-Projekts, kommt eine persönliche Komponente hinzu: die Nähe zu und Hochachtung vor den Walhaien. «Auch nach vielen Jahren, in denen ich schon mit Walhaien tauche, bekomme ich jedes Mal Gänsehaut, wenn ich diesen riesigen blauen Schatten im Wasser sehe», sagt er. «Es ist eine unglaubliche Erfahrung, die einem nahegeht.»

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