Harvard University Quatsch-Nobelpreis würdigt Unfug und Habakuk in der Wissenschaft

DPA

14.9.2018

Thea Blackler kann sich, nein, kann es nicht fassen: Sie holte den Ig-Nobelpreis Literatur.
Thea Blackler kann sich, nein, kann es nicht fassen: Sie holte den Ig-Nobelpreis Literatur.
Keystone

Macht Menschenfleisch schlank? Oder Spucke gut sauber? Und kann man riechen, ob im Wein eine Fliege verwest? Willkommen beim Ig-Nobelpreis, dem Kasper unter den Oscars.

Papierflieger, echte Nobelpreisträger und viel Klamauk: Die schrillen Ig-Nobelpreise sind Kult. Zum 28. Mal wurde jetzt kuriose Forschung an der Elite-Uni Harvard mit den Spasspreisen geehrt – von Nierensteinen in der Achterbahn bis zu Fliegen im Wein.

Nierensteine in der Achterbahn, Fliegen im Wein und Menschen, die Schimpansen nachmachen: Zehn wissenschaftliche Studien, die «erst zum Lachen und dann zum Denken anregen», sind an der US-Eliteuniversität Harvard mit den sogenannten Ig-Nobelpreisen ausgezeichnet worden.

Ungewöhnliches und Fantasievolles fördern

Die traditionell klamaukig-schrille Gala mit mehr als 1000 Zuschauern fand in der Nacht zum Freitag bereits zum 28. Mal statt. Wie jedes Jahr reisten auch diesmal echte Nobelpreisträger an.

Worum es den Preisverleihern geht.

Die undotierten Auszeichnungen sollen «das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren». Zwischendurch fliegen bei der so ganz anderen anderthalbstündigen Preisverleihung Papierflieger durch die Luft, es gibt Sketche und bizarre Kurz-Opern.

Fördern Achterbahnen Nierensteine zutage?

Der Ig-Nobelpreis («ignoble» heisst auf Deutsch «unwürdig») wurde diesmal in Form eines Papierherzens verliehen. Wissenschaftler aus den USA bekamen den Preis in der Kategorie Medizin, weil sie versucht hatten, durch Achterbahnfahren Nierensteine schneller auszuscheiden.

Die früheren Preisträger Eric Maskin (Wirtschaft, 2007), Wolfgang Ketterle (Physik, 2001), Michael Rosbash (Medizin, 2017) und Oliver Hart (Wirtschaft, 2016) stossen auf die Ig-Frischlinge an.
Die früheren Preisträger Eric Maskin (Wirtschaft, 2007), Wolfgang Ketterle (Physik, 2001), Michael Rosbash (Medizin, 2017) und Oliver Hart (Wirtschaft, 2016) stossen auf die Ig-Frischlinge an.
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«Die eigentliche Anerkennung gebührt aber einem meiner Patienten», sagte Forscher David Wartinger in seiner Dankesrede. Dieser habe nach jedem Vergnügungspark-Besuch mit Achterbahnfahrt einen Nierenstein ausgeschieden – also hätten er und Kollege Marc Mitchell sich der wissenschaftlichen Erforschung des Themas angenommen, sagte Wartinger.

Schweiz geht der Fliege auf den Grund

Forscher aus Deutschland, Schweden, Kolumbien, Frankreich und auch aus der Schweiz erhielten den Preis in der Kategorie Biologie für den Nachweis, dass Wein-Experten durch Geruch verlässlich nachweisen können, ob sich in ihrem Weinglas eine Fliege befindet.

«Wenn eine weibliche Fruchtfliege von einem Glas voll Wein angezogen wird, dann ist das traurig für die Fliege, weil sie ertrinken wird», erklärte Wissenschaftler Paul Becher. «Es ist aber auch traurig für den Besitzer des Weinglases, denn der Geruch der Fliege wird den Wein verderben. Wir wissen nicht, warum Menschen in der Lage sind, diesen Geruch zu erkennen - aber wir wissen, dass es nicht darum geht, dass wir uns zu Fliegen hingezogen fühlen sollen.»

Wie der Schimpanse, so der Mensch

Wissenschaftler aus Deutschland, Schweden, Rumänien, Dänemark, den Niederlanden, Grossbritannien, Indonesien und Italien wurden in der Kategorie Anthropologie ausgezeichnet - dafür, dass sie in einem Zoo nachgewiesen hatten, dass Schimpansen Menschen etwa genauso oft und genauso gut imitieren wie Menschen Schimpansen.

Forscher aus Kanada, China, Singapur und den USA erhielten den Preis in der Kategorie Wirtschaft für ihre Untersuchung, ob es effektiv für Arbeitnehmer ist, Voodoo-Puppen gegen übergriffige Chefs zu verwenden. Die Antwort sei Ja, sagte Wissenschaftlerin Lindie Hanyu Liang.

«Die Menschen fühlen sich viel besser danach, sie fühlen sich, als ob Gerechtigkeit wiederhergestellt worden ist.» Zudem nutzte die Forscherin die Gelegenheit, um sich bei ihrem früheren Chef zu bedanken - «weil er mir alles darüber beigebracht hat, wie man mit übergriffigen Chefs umgeht».

Wie gut putzt Spucke?

Wissenschaftler aus Portugal bekamen den Preis in der Kategorie Chemie, weil sie analysierten, wie gut sich menschliche Spucke als Putzmittel für schmutzige Oberflächen eignet.

Crazy. Einfach crazy! Hier verabreicht sich Akira Horiuchi selbst eine Darmspiegelung ...
Crazy. Einfach crazy! Hier verabreicht sich Akira Horiuchi selbst eine Darmspiegelung ...
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«Ich weiss, es klingt unwahrscheinlich, aber menschliche Spucke ist wirklich ein gutes Putzmittel, zumindest für einige Oberflächen», sagte Forscherin Paula Romao. Ein Wissenschaftler aus Japan wurde in der Kategorie medizinische Bildung geehrt für seinen Bericht «Darmspiegelung im Sitzen: Lehren aus Selbst-Darmspiegelung».

... und feiert damit seine Auszeichnung in der Kategorie Medizinische Bildung. 
... und feiert damit seine Auszeichnung in der Kategorie Medizinische Bildung. 
Source: Howard Cannon

In der Kategorie Literatur wurden Forscher aus Australien, El Salvador und Grossbritannien für den Nachweis ausgezeichnet, dass die meisten Menschen, die komplizierte Produkte benutzen, die Gebrauchsanweisung nicht lesen.

Abnehmen mit Menschenfleisch

In der Kategorie Ernährung wurde ein Wissenschaftler aus Grossbritannien geehrt, der berechnete, dass die Kalorienaufnahme bei einer Ernährung ausschliesslich mit Menschenfleisch deutlich geringer ist als die Kalorienaufnahme bei den meisten anderen traditionellen Ernährungsweisen mit Fleisch.

Forscher aus Spanien und Kolumbien analysierten die Häufigkeit, Motivation und Auswirkungen von Schreien und Fluchen beim Autofahren - und erhielten dafür den Preis in der Kategorie Frieden. Wissenschaftler aus den USA, Japan, Saudi Arabien, Ägypten, Indien und Bangladesch benutzten Briefmarken um herauszufinden, ob das männliche Geschlechtsorgan richtig funktioniert - und erhielten die Auszeichnung in der Kategorie Fortpflanzungsmedizin.

Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung, beendete die Gala wie immer mit seinen traditionellen Abschlussworten: «Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!»

Haben Sie 90 Minuten Zeit? Voilà, die Preisverleihung 2018.

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