NaturgefahrenWo das Erzittern der Erde in Europa besonders grosse Schäden bringt
stsc, sda
28.4.2022 - 12:00
Erdbeben in Europa verursachen im Schnitt jährlich Schäden von über sieben Milliarden Franken und fordern fast tausend Menschenleben, wie das erstmals erstellte europäische Erdbebenrisikomodell zeigt. Angemessene Bauweisen könnten die Verluste mindern.
Keystone-SDA, stsc, sda
28.04.2022, 12:00
SDA
Erdbeben sind Naturgewalten, die sich weder präzise vorhersagen noch verhindern lassen. Grundlage, um die Schäden in Grenzen zu halten, bieten Gefährdungs- und Risikomodelle. Sie zeigen, welche Regionen am ehesten von starken Erschütterungen heimgesucht werden können, wo die zu erwartenden Auswirkungen am schadbringendsten sind – und welche Massnahmen dementsprechend ergriffen werden müssen.
Ein Forschungsteam mit massgeblicher Beteiligung des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) und der ETH Zürich erarbeitete nun in einer Mammutaufgabe ein neues Gefährdungsmodell sowie das erste Risikomodell zu Erdbeben für Europa. Das am Donnerstag vorgestellte Projekt wurde von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 gefördert.
Hohes Risiko in Städten
Gemäss den Expertinnen und Experten sehen sich insbesondere städtische Gebiete, die zudem in Regionen mit einer hohen Erdbebengefährdung liegen, mit einem hohen Erdbebenrisiko konfrontiert. Dazu zählen etwa Städte wie Istanbul und Izmir in der Türkei, Catania und Neapel in Italien, Bukarest in Rumänien und Athen in Griechenland. Auch Basel trage ein überdurchschnittlich hohes Erdbebenrisiko, verglichen mit Städten wie etwa Berlin, Paris oder London.
Der Unterschied zwischen Erdbebengefährdung und Erdbebenrisiko besteht darin, dass die Gefährdung quasi eine naturgegebene Kennzahl ist. Sie beschreibt, wie stark der Boden in einem bestimmten Gebiet aufgrund der Geologie und Tektonik erzittern kann. Demgegenüber zeigt das Erdbebenrisiko, welche Opfer und finanzielle Schäden bei einer Erschütterung zu erwarten sind. So kann die Erdbebengefährdung in einer Wüste beispielsweise gross sein, das Risiko mangels Menschen und Häusern hingegen sehr klein.
Vier Länder besonders gefährdet
Wie die Forschenden festhalten, entfallen allein auf die Länder Türkei, Italien, Rumänien und Griechenland fast achtzig Prozent des gesamten wirtschaftlichen Schadens von 7 Milliarden Euro (rund 7,2 Milliarden Franken), der im Schnitt durch Erdbeben in Europa pro Jahr entsteht.
Zudem seien über 75 Prozent der 900 Erdbebenopfern jährlich in Italien und der Türkei zu beklagen. Insbesondere nach veralteten Erdbebennormen konstruierte Stahlbetonskelette sowie niedrige Gebäude aus unarmierten Mauerwerken trügen zu den finanziellen und menschlichen Verlusten bei.
Auch Schweiz ist ein Risikoland
Würden die risikobehafteten Gebäude allein in Italien und der Türkei gemäss den aktuellsten Vorschriften für erdbebengerechtes Bauen (Eurocode 8) nachgerüstet, liesse sich demnach die durchschnittliche jährliche Zahl der Todesopfer in Europa um über 50 Prozent und die wirtschaftlichen Verluste im Jahresdurchschnitt um mindestens 30 Prozent verringern.
Auch die Schweiz zählt gemäss den Forschenden zu den Ländern mit einem höheren Erdbebenrisiko. Den wirtschaftlichen Schaden beziffern sie hierzulande auf 55 Millionen Euro (rund 57 Millionen Franken) jährlich.
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