Auch in Schweizer Mündern Zahnärzte warnen vor neuer Volkskrankheit «Kreidezähne»

grö/dpa

29.5.2018

Sogenannte "Kreidezähne" - hier sind Vorderzähne eines Kindes betroffen. Aufgrund der Farbveränderungen und dem Einbruch der Oberfläche ist die ästhetische Beeinträchtigung deutlich erkennbar.
Sogenannte "Kreidezähne" - hier sind Vorderzähne eines Kindes betroffen. Aufgrund der Farbveränderungen und dem Einbruch der Oberfläche ist die ästhetische Beeinträchtigung deutlich erkennbar.
Source: Prof. Dr. Norbert Krämer/dpa

Zahnärzte in Deutschland schlagen bereits Alarm: Sie warnen vor einer neuen Volkskrankheit - den sogenannten Kreidezähnen bei Kindern. Wie sieht es in Schweizer Mündern aus?

Die Zähne haben dabei eine raue Oberfläche und sind zerfurcht - was Karies fördert, berichteten Zahnmediziner letzte Woche in Berlin. Die Kinder hätten Schmerzen beim Trinken, Essen und Zähneputzen. Ursache seien Störungen in der Mineralisation des Zahnschmelzes, erläuterte die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Wichtig sei ein rascher Zahnarztbesuch.

Die weiss-gelblich bis gelb-braune Oberfläche sei auf einzelnen Zahnhöckern zu finden oder auf der gesamten Oberfläche des Zahnes. Die Zähne brechen teilweise.

Nach Angaben des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde, Norbert Krämer, leiden im Schnitt etwa 10 bis 15 Prozent der Kinder an Kreidezähnen. Eine neue Studie habe sogar bei 30 Prozent der unter Zwölfjährigen Kreidezähne nachgewiesen. Kreidezähne müssten daher als neue Volkskrankheit bezeichnet werden, sagte Krämer. Die Krankheit, Molare-Inzisive-Hypomineralisation (MIH), sei erstmals 1987 beschrieben worden.

Erste Zahnschäden wurden den Ärzteverbänden zufolge schon bei Ungeborenen im achten Schwangerschaftsmonat registriert. Derzeit werden verschiedene Ursachen diskutiert. In Frage kämen Probleme während der Schwangerschaft, Infektionskrankheiten, Antibiotikagaben, Windpocken, Einflüsse durch Dioxine sowie Erkrankungen der oberen Luftwege. In Tierversuchen sei ein Zusammenhang zwischen dem Weichmacher Bisphenol-A und Kreidezähnen nachgewiesen worden. Die präzise Ursache gelte als ungeklärt, schreiben die Verbände.

Schmerzhafter Biss

Wie es hierzulande in den Mündern der Kleinen aussieht, weiss Dr. Hubertus van Waes, Leiter Station für Kinderzahnmedizin der Universität Zürich. Auch er bestätigt auf Anfrage: «Die Molaren-Inzisiven-Hypomaturation (MIH) ist kein neues Phänomen, sondern existiert vermutlich schon seit Jahrhunderten.»

Doch erst seit den Neunzigerjahren werde das Phänomen verstärkt durch  Zahnärzte wahrgenommen, was aber nicht zwingend bedeute, dass es im gleichen Ausmass zunehme.

Denn früher sei die Missbildung oft in der Karies untergegangen oder als solche interpretiert worden. Die Abgrenzung zu anderen Missbildungen sei zudem nicht so einfach und überfordert sicher einige Zahnärzte und erst recht Laien, so der Leiter des Schulzahnärztlichen Dienstes der Stadt Zürich weiter.

Es liegen für die Schweiz zwar keine aktuellen Zahlen vor, aber «man kann aufgrund unserer Erkenntnisse von einem analogen Befall ausgehen wie in den Nachbarländern». Das wären also etwa zwischen 7 und 20 Prozent Betroffene. Für eine effektive Zunahme fehlen allerdings Belege.

Was sind die Symptome solcher Kreidezähne? «Stärkere Missbildungen sind mit Schmerzen und Abbröckeln des Schmelzes verbunden und bedürfen dringender Behandlung, andere Zähne sind nur kosmetisch betroffen», führt Dr. Van Waes aus.

Während die Auswirkungen klar sind und ein Gang zum Zahnarzt unausweichbar ist, wird über die Ursachen noch weltweit geforscht und heftig spekuliert: «Bis heute weiss man nur, dass der Schaden um die Geburt, respektive den ersten Lebensmonaten, ausgelöst wird und das wahrscheinlich von verschiedenen Faktoren und Einfüssen.» Eine einzelne Ursache  lasse sich nicht identifizieren.

Gleichzeitig warnt der Experte: «Vermutungen, dass MIH mit Weichmachern oder Medikamenten zusammenhängt, sind spekulativ und es ist unseriös, Eltern mit diesen Vermutungen zu verunsichern. Daher ist eine Prophylaxe derzeit auch so gut wie unmöglich.»

Die Aufgabe der Zahnärzte bestehe darin, Folgeschäden zu vermeiden oder zu beheben. In diesem Zusammenhang haben sich übliche Mundhygienemassnahmen und insbesondere die Fluoridierung mit Lacken sehr bewährt, empfiehlt der Zahnarzt.

Vom 20. bis 23. Juni findet in Lugano übrigens der Europäische Kinderzahnärzte-Kongress statt. Dort werde das Thema auch wieder diskutiert und die neuesten Forschungsergebnisse bekannt gemacht.

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