«Chaotische Zustände» Zürcher Justiz lässt versehentlich vier Häftlinge frei

smi

6.4.2023

Das Polizei- und Justizzentrum, im September 2022 eröffnet, beherbergt das Gefängnis Zürich-West. Dort sind vier Inhaftierte versehentlich zu früh entlassen worden. 
Das Polizei- und Justizzentrum, im September 2022 eröffnet, beherbergt das Gefängnis Zürich-West. Dort sind vier Inhaftierte versehentlich zu früh entlassen worden. 
Keystone/

Im neuen Zürcher Polizei- und Justizzentrum sind vier Häftlinge verwechselt und zu früh entlassen worden. Im PJZ soll es zu weiteren Fehlern gekommen sein. Der Regierungsrat hat zusätzliche Stellen bewilligt.

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  • Im Gefängnis Zürich-West sind vier Inhaftierte aufgrund einer Verwechslung zu früh entlassen worden. Vier andere sassen dafür zu lang ein.
  • Im Gefängnis soll es immer wieder zu Fehlern gekommen sein, so seien beispielsweise Gefangene an falsche Orte transportiert worden.
  • Der Regierungsrat räumt lediglich ein, dass der Personalbedarf des 2022 eröffneten Gefängnisses zu tief berechnet worden sei. Er hat deshalb 82 zusätzliche Stellen bewilligt.
  • Der Regierungsrat bestätigt die vorzeitige Entlassung der vier Inhaftierten, macht aber keine weiteren Angaben dazu.

Vier Häftlinge sind aus dem Gefängnis Zürich-West zu früh entlassen worden. Die Beamten haben sie mit vier anderen verwechselt, die an deren Stelle länger einsitzen mussten. Dies hat der Direktor des Untersuchungsgefängnisses Zürich, Roland Zurkirchen, dem «Tages-Anzeiger» bestätigt. Das Wachpersonal sei überfordert gewesen, so Zurkirchen weiter. 

Wann das geschehen ist, ist nicht bekannt. Lange kann es nicht her sein, denn das neue Zürcher Polizei- und Justizzentrum PJZ, in dem sich das Gefängnis befindet, ist erst seit Ende September in Betrieb.

Angepriesen wurde der riesige Komplex auf dem Gelände des abgerissenen Güterbahnhofs damit, dass er die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justizwesen vereinfachen und Abläufe beschleunigen würde. Dem ist offenbar nicht so, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.

Personalbedarf um 70 Prozent zu tief berechnet

Heute Donnerstag hat der Zürcher Regierungsrat bekannt gegeben, dass er für das Gefängnis Zürich-West, das sich im PJZ befindet, 82 zusätzliche Stellen bewilligt habe. Aktuell arbeiten dort 117 Personen.

Der Grund für die Aufstockung: Der Personalbedarf sei deutlich zu tief berechnet worden. Von wem, lässt der Regierungsrat in seiner Mitteilung offen. Es habe die Annahme bestanden, dass der 24-Stunden-Betrieb dreimal so viel Personal erfordere wie der Einschichtbetrieb. Tatsächlich seien es aber fünfmal so viel.

Weiter räumt der Regierungsrat ein, die Mitarbeitenden seien stark belastet und hätten in kurzer Zeit erheblich Überzeit angehäuft. Bisher sei es «dank des grossen Engagements der Mitarbeitenden» zu keinen schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen. «Ein Andauern dieses Zustandes würde jedoch die Sicherheit des Betriebs und damit der zentralen Drehscheibe des Zürcher Sicherheitssystems gefährden.»

Weitere Fehler im Umgang mit Inhaftierten

Offenbar taxiert die Kantonsregierung die irrtümliche Entlassung von Inhaftierten nicht als schwerwiegend. Gemäss «Tages-Anzeiger» sollen auch mehrfach Gefangene zum falschen Zeitpunkt oder an falsche Orte transportiert worden sein. Wiederholt sei es zudem vorgekommen, dass Tatverdächtige nicht innerhalb der gesetzlichen Frist dem Haftrichter vorgeführt wurden.

Mehrere Insider haben der Zeitung von «völlig chaotischen Zuständen» berichtet. Abläufe, die während Jahrzehnten funktioniert hätten, täten dies im neuen Gebäude und mit neuen Beteiligten nicht mehr, so die anonymen Quellen weiter.

Die Justizdirektion räumt lediglich die personelle Unterbesetzung ein. Weitere Fragen zum Betrieb beantworte sie aus Sicherheitsgründen nur Aufsichtskommissionen des Kantonsrats.