Im Jahr 2011 trat im Kanton Bern die Justizreform in Kraft. Doch noch immer ist diese Reorganisation nicht vollständig in der Kantonsverfassung abgebildet. Das will die Kantonsregierung ändern und schickt mehrere Verfassungs- und Gesetzesänderungen in eine Vernehmlassung.
In Artikel 68 der heutigen Kantonsverfassung steht beispielsweise, dass Mitglieder des Regierungsrats, das Personal der zentralen und dezentralen Kantonsverwaltung sowie «Mitglieder der kantonalen richterlichen Behörden» nicht dem Grossen Rat angehören können.
Keine Rede ist aber von den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, wie der Berner Regierungsrat am Freitag mitteilte. Auch ihnen soll nun die Mitgliedschaft im Grossen Rat explizit verwehrt werden.
Künftig soll in der Verfassung etwa auch zu lesen sein, dass die kantonale Justizleitung dem Grossen Rat zu den im Gesetz vorgesehenen Geschäften Anträge stellen kann. Das ist heute nirgendwo erwähnt.
Die Berner Justizreform geht auf das neue, gesamtschweizerisch einheitliche Zivil-, Straf- und Jugendstrafprozessrecht zurück, das Anfang 2011 eingeführt wurde. Im Jahr 2016 zeigte eine Auswertung der bernischen Justizreform, dass der Kanton Bern die damit gesetzten Ziele mehrheitlich erreicht hat.
Die Gerichtsbehörden funktionieren gut und die Reform hat die Führungskraft der Justiz generell gestärkt.
Mit der Berner Justizreform sank die Zahl der Regionalgerichte von dreizehn auf vier. Auch wurden die Aufgaben der Untersuchungsrichter der Staatsanwaltschaft zugewiesen und die Justiz begann 2011, sich selbst zu verwalten. Zuvor war sie administrativ der kantonalen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion zugeteilt gewesen.
Auch kleine Justizreform geplant
Der Evaluationsbericht von 2016 zeigte weitere Verbesserungsmöglichkeiten in der Berner Justiz auf. Diese will die Kantonsregierung mit punktuellen Änderungen des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (GSOG) umsetzen.
So sollen künftig Richter vom bernischen Grossen Rat nicht mehr in einer bestimmten Funktion an ein Regionalgericht, an eine regionale Schlichtungsbehörde oder an ein kantonales Gericht gewählt werden. Vielmehr sollen Richter erster Instanz und Vorsitzende von Schlichtungsbehörden bei Vakanzen ohne weiteres Wahlverfahren Gericht oder Schlichtungsbehörde wechseln können.
Das verbessere die Laufbahnmöglichkeiten der Richter, schreibt die Berner Regierung in ihrer Medienmitteilung respektive im Vortrag an den Grossen Rat. Die geplante Gesetzesänderung werde es den Justizbehörden ermöglichen, einfacher auf sich ändernde Belastungen zu reagieren.
Zudem soll die neue Funktion einer Assistenzstaatsanwältin oder eines Assistenzstaatsanwalts geschaffen werden. Dies, um Staatsanwältinnen und -anwälte zu entlasten. Die neue Funktion wird allerdings nur eingeführt, wenn der Staatsanwaltschaft respektive der Jugendstaatsanwaltschaft im Vergleich zu heute zusätzliche Stellenprozente zugesprochen werden.
Zwei weitere geplante Neuerungen sind: Das kantonale Wirtschaftsstrafgericht und das kantonale Jugendgericht werden organisatorisch ins Regionalgericht Bern-Mittelland integriert. Sie bleiben aber fachlich selbständig.
Der Vorteil dieser Integration laut Kantonsregierung: Das vereinfacht die Personal- und Finanzplanung, die Kontrolle, den Budgetvollzug und die Aufsicht. Die Fallzahlen an diesen Gerichten sind klein und der administrative Aufwand ist unverhältnismässig gross.
Schliesslich sollen auch die regionalen Zwangsmassnahmengerichte aufgehoben werden. Das kantonale Zwangsmassnahmengericht soll künftig für alle Fälle zuständig sein. Der Grund für die Änderung auch hier: Die regionalen Zwangsmassnahmengerichte weisen nur geringe Fallzahlen auf.
Zwangsmassnahmengerichte entscheiden beispielsweise, ob es angemessen ist, die Untersuchungshaft für eine einer Straftat verdächtigten Person zu verlängern.
2020 im Grossen Rat
Die Vernehmlassung zur Änderung der Kantonsverfassung und zu den GSOG-Änderungen dauert bis zum 21. Juni. Es ist vorgesehen, dass der Grosse Rat die Gesetzesänderung in der Sommer- und in der Wintersession des kommenden Jahrs berät. Die Vorlage gelangt auch vors Berner Stimmvolk.
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