Die linksgrüne Mehrheit des Berner Stadtparlaments hat am Donnerstag den Gemeinderat heftig für ein faktisches Demonstrationsverbot bis Weihnachten kritisiert. Verschiedene Parteien kündigten an, juristisch dagegen ins Feld zu ziehen.
Keystone-SDA, hn, sda
16.11.2023, 18:54
SDA
Die AL/PdA-Fraktion sei empört, dass der Gemeinderat so wichtige Grundrechte wie die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit missachte, sagte Stadtrat David Böhner. Stattdessen stelle der Gemeinderat den Kommerz über die Grundrechte. Damit bewege sich die Stadtregierung juristisch auf dünnem Eis. Böhner kündigte an, rechtliche Schritte ins Auge zu fassen. Auch SP und Grünes Bündnis wollen juristische Mittel ergreifen.
Bern als Bundesstadt habe eine besondere Verantwortung bei der Ausübung politischer Rechte, betonte Barbara Keller von der SP. Der Krieg im Nahen Osten wühle auf, sagte Lea Bill vom Grünen Bündnis. Doch gerade in solchen Zeiten sei das Recht auf Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit besonders wichtig.
Der freisinnige Tom Berger stellte sich hinter den Gemeinderat. Dieser habe kein generelles Verbot erlassen. Kleinere Kundgebungen ohne Umzüge seien weiterhin möglich, einfach keine Grosskundgebungen.
Es gebe eben nicht nur das Recht der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit, sondern auch ein Recht der Menschen auf Gesundheit und Sicherheit und auf Wirtschaftsfreiheit, sagte Lyonel Gaudy von der Mitte. Es gelte eben die Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen.
Nause wehrt sich
Der heftig kritisierte Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) wies die Kritik rundum zurück. Es gehe nicht um ein Demonstrationsverbot. Jedes Gesuch für eine Kundgebung werde geprüft. Vor allem Grosskundgebungen seien aktuell nicht einfach. Es bestehe latent die Gefahr, dass die Stimmung kippe.
An die Adresse jener, die rechtliche Schritte gegen den Entschied ins Auge fassen, sagte Nause: «Die anfechtbare Verfügung kommt, wir sehen uns vor Gericht». Er wisse «haargenau», wer als Sieger vom Platz gehen werde, sagte Nause.
Stadtpräsident Alec von Graffenried (Grüne Freie Liste) gab sich etwas konzilianter. Bei der Kommunikation sei sicher nicht alles rund gelaufen, räumte er ein.
Grosskundgebungen seien gerade in der Vorweihnachtszeit eine grosse Belastung für den öffentlichen Raum, da ohnehin schon viel los sei. Dazu komme, dass in dieser symbolträchtigen Zeit auch die Terrorgefahr jeweils etwas grösser sei als sonst im Jahr.
Einstweilen Genüge getan
Am 8. November hat der Stadtberner Gemeinderat mitgeteilt, dass er in der Innenstadt vom 17. November bis am 24. Dezember vorerst keine Grosskundgebungen und Umzüge mehr will. Kleinere Kundgebungen könnten im Zentrum nach wie vor bewilligt werden. Auch andere Standorte auf Stadtgebiet seien für Demonstrationen möglich.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) verteidigte den Entscheid damals, dass die Stadt drei Palästina-Kundgebungen bewilligt habe, die in einer speziellen emotionalen Atmosphäre stattgefunden hätten und von einem grossen Polizeiaufgebot begleitet worden seien.
Zudem habe es zwei Mahnwachen zugunsten von Israel gegeben. Die Stadt Bern habe der Meinungsäusserungsfreiheit einstweilen Genüge getan. In der Bundesverfassung stehe nirgends geschrieben, dass es ein Recht gebe, im Wochenrhythmus zum gleichen Thema mit den gleichen Forderungen auf die Strasse zu gehen.
In den nächsten Wochen gebe es in Bern zahlreiche Veranstaltungen und Anlässe, sagte Nause weiter – von den Weihnachtsmärkten über den Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis zum Zibelemärit und dem Champions-League-Spiel der Young Boys gegen Roter Stern Belgrad.
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