Städtebau Berner Viererfeld möglicherweise weit unter Wert verkauft

sr, sda

25.10.2021 - 08:47

Eine der letzten grossen Grünflächen innerhalb der Stadt Bern: das Viererfeld (in der Bildmitte die Äussere Enge/Archivbild).
Eine der letzten grossen Grünflächen innerhalb der Stadt Bern: das Viererfeld (in der Bildmitte die Äussere Enge/Archivbild).
Keystone

Der Kanton Bern hat der Stadt Bern ein Grundstück auf dem Berner Viererfeld, wo eine Grossüberbauung entstehen soll, möglicherweise weit unter dem Marktwert verkauft. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rats zweifelt nach einer Analyse des Geschäfts jedenfalls, dass ein Marktwert zum Zug kam.

25.10.2021 - 08:47

Sie schreibt in einer Mitteilung vom Montag, das Gesetz verlange bei solchen Landverkäufen, dass der Marktwert gelte. Die GPK hat den Bericht zur Liegenschaftstransaktion am Montag auf der Internetseite des Kantons Bern veröffentlicht. In der kommenden Wintersession beschäftigt sich der Grosse Rat damit.

Bei der Transaktion Viererfeld geht es um den Verkauf eines 84'482 Quadratmeter grossen Grundstücks sowie um die Abgabe eines 78'210 Quadratmeter grossen Grundstücks im Baurecht an die Stadt Bern.

Der Kanton Bern erhielt für das verkaufte Grundstück 51,1 Millionen Franken. Das zweite Grundstück, das während der ganzen Baurechtsdauer von 40 Jahren als Grünfläche erhalten bleiben muss, gab der Kanton unentgeltlich ab. Auf dem Viererfeld soll eine Überbauung für rund 3000 Menschen entstehen.

Am Anfang stand Finanzkontrolle

Die GPK des bernischen Grossen Rats wurde in dieser Angelegenheit aktiv, weil die kantonale Finanzkontrolle 2018 bei der Prüfung der Kantonsrechnung auf eine unvollständige Dokumentation zur Grundstückstransaktion stiess. Das geht aus dem Bericht hervor.

Die Unterlagen, die danach zum Vorschein kamen, enthielten nach Einschätzung der Finanzkontrolle Widersprüche und Unklarheiten. Die kantonale Finanzkontrolle ist ein von der Verwaltung unabhängiges Kontrollorgan des Kantons Bern.

Laut dem GPK-Bericht ging der Kanton Bern von einem Quadratmeterpreis von 1000 Franken für nicht erschlossenes Bauland aus und kam auf einen Wert von 107 Millionen Franken für das ganze Viererfeld. Weil die nur die Hälfte des Landes verkauft wurde, verlangte der Kanton von der Stadt Bern 53,3 Millionen. Schliesslich einigte man sich auf 51,1 Millionen.

Die Finanzkontrolle schätzt den Wert des Landes – nach Abschöpfung des Mehrwerts – auf zwischen 135 und 336 Millionen Franken. Sie ging von höheren Quadratmeterpreisen aus.

Die GPK schreibt dazu, ob der Kanton einen angemessenen Preis bei der Transaktion erzielt habe, lasse sich nicht klar mit Ja oder Nein beantworten. Es gebe aber «zahlreiche Anzeichen, dass der Kanton Bern das grössere Grundstück auf dem Viererfeld nicht zu einem Marktpreis verkauft hat.»

Die GPK spricht auch von fehlender Transparenz bei diesem Geschäft. Beispielsweise habe der Kanton Bern auf das Erstellen eines Verkehrswertgutachtens verzichtet. Und im Regierungsratsbeschluss zum Verkaufsentscheid seien ausser Verkaufssumme und Höhe der Mehrwertabschöpfung keine weiteren Zahlen vorhanden.

Als die Finanzkontrolle 2019 die Transaktion vertiefter habe überprüfen wollen, habe die Bau- und Verkehrsdirektion (BVD) zunächst über keine weiteren Unterlagen als den Regierungsratsbeschluss sowie den Verkaufsrechts- und Baurechtsvertrag vorlegen können.

Regierungsrat: Zukunft zeigt es

In ihrem Bericht gibt die GPK eine Stellungnahme der Kantonsregierung wieder. Demzufolge findet der Regierungsrat, erst die Zukunft werde zeigen, ob der Verkaufspreis des Grundstücks zu tief gewesen sei.

Die hohen Vorinvestitionen, die zu tätigen seien, die lange Zeitdauer von voraussichtlich rund 20 Jahren bis zur Überbauung und die mit dem ganzen Vorhaben verbundenen Risiken würden auch einen privaten Investor vorsichtig agieren lassen.

Auch dieser würde bedacht sein, den Kaufpreis möglichst tief zu halten, heisst es weiter. Ein Investor würde zudem kaum das ganze Terrain auf einmal erwerben.

Der Kanton Bern kaufte 1964 das Viererfeld der Burgergemeinde Bern ab, um dort die Uni Bern erweitern zu können. Der Preis betrug 33 Millionen Franken. Dann aber wurden die Uni-Erweiterungen auf dem von-Roll-Areal realisiert und das Land wieder der Landwirtschaftszone zugeteilt.

Im zweiten Anlauf stimmten die Stadtberner Stimmberechtigten 2016 der Wiedereinzonung der Bauflächen und dem Kauf des Geländes durch die Stadt Bern zu.

sr, sda