BahnBLS-Werkstätte Chliforst: Jurist sieht mehrere Verfahrensfehler
SDA
14.11.2019 - 19:46
Bund und Kanton Bern hätten mehrere Verfahrensfehler begangen, als sie das Gebiet Chliforst-Nord zum Standort für eine neue BLS-Werkstätte bestimmten. Das schreibt der Fürsprecher und emeritierte Basler Rechtsprofessor Enrico Riva in einem Gutachten.
Die Art, wie Bund und Kanton Bern die Zusammenlegung des eidgenössischen Sachplanverfahrens und des kantonalen Richtplanverfahrens zusammengelegt hätten, sei in doppelter Hinsicht fehlerhaft. Das steht im 28-seitigen, am Donnerstag von der Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) veröffentlichten Gutachten.
Erstens hätte der Kanton Bern das Geschäft aufgrund der kantonalen Zuständigkeitsordnung in Abstimmung mit der RKBM erarbeiten müssen. Die RKBM hätte auch ins Mitwirkungsverfahren einbezogen werden müssen.
Zweitens müsse der Bund ein Sachplanverfahren in voller Unabhängigkeit von den Antragstellern führen. Im vorliegenden Fall zeigten aber die vorhandenen Informationen, dass das Bundesamt für Verkehr (BAV) wenig Distanz gegenüber den Vorstellungen und Wünschen der Berner Behörde gezeigt habe.
Insbesondere habe das BAV dem Umstand keine Beachtung gezeigt, dass der Kanton Bern bei diesem Vorhaben in einem Interessenkonflikt stehe. Dieser sei nicht nur neutraler Träger der Richtplanung, so Fürsprecher Riva, sondern auch wesentlicher Eigentümer der BLS.
In Gebiet Chliforst-Nord bei Riedbach im Westen der Gemeinde Bern möchte die BLS eine grosse Werkstätte bauen. Ab 2020 fällt für sie ihre bisherige Werkstätte in der Berner Aebimatt weg, wo sie eingemietet ist. Nach der Nutzung einer Übergangslösung in Givisiez FR fehlen dem Unternehmen ab 2025 Werkstattkapazitäten für den Betrieb der S-Bahn Bern.
Keine konkrete Auswirkung
Die Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RKBM) veröffentlichte das Gutachten am Donnerstag auf ihrer Internetseite. In dieser Konferenz arbeiten 79 Gemeinden der Grossregion Bern zusammen und entscheiden beispielsweise über Fragen der Raumplanung.
Die RKBM hatte schon im Juni bekanntgegeben, dass sie an der Korrektheit des Verfahrens zweifelt, mit dem Bund und Kanton Bern den Chliforst planerisch als Areal für eine künftige BLS-Werkstätte festlegten. Deshalb habe sie ein Anwaltsbüro mit entsprechenden Abklärungen beauftragt.
Eine konkrete Wirkung wird das RKBM-Gutachten laut Riva selbst nicht haben: Die Entscheide in den beiden genannten Sachplanverfahren können ihm zufolge nicht angefochten werden.
Die RKBM will das Gutachten nun ihren 79 Mitgliedergemeinden «zur Verfügung stellen» und in Dialog treten mit dem Bund und dem Kanton. Sie wird die RKBM «ersuchen, die Regionalkonferenz künftig korrekt in die Planungsprozesse einzubeziehen.» Laut RKBM zeigt Rivas Gutachten weitere Fehler auf.
Noch offen sei, ob die RKBM im Plangenehmigungsverfahren Einsprache erheben werde. Dieses Plangenehmigungsverfahren für die geplante BLS-Werkstätte, in dessen Rahmen auch Privatpersonen Einsprache erheben können, startet nach Angaben der BLS im kommenden Jahr.
Anlässlich der Mitwirkung zur Anpassung des kantonalen Richtplans und des eidgenössischen Sachplans Verkehr hatte sich die RKBM gegen den Standort Chliforst Nord ausgesprochen. Die Konferenz beantragte erfolglos bei Bund und Kanton, zusätzliche Standorte zu evaluieren.
Kritik zurückgewiesen
Die für das Dossier zuständige bernische Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) und das BAV wiesen am Donnerstag die Vorwürfe der RKBM auf Anfrage zurück. Letztere habe Einsitz in die Begleitgruppe BLS-Werkstätte gehabt, welche die Standortwahl unter die Lupe nahm.
Damit sei die Regionalkonferenz so, wie das die Raumplanungsverordnung fordere, frühzeitig einbezogen worden, schreibt das BAV in einer Stellungnahme.
Wie bei Richtplananpassungen üblich habe der Kanton die RKBM speziell auf das laufenden Verfahren aufmerksam gemacht und einbezogen, schreibt die JGK. Deren Position sei im Rahmen der vorgeschriebenen Interessenabwägung sorgfältig geprüft worden. Damit sei die gesetzlich vorgesehene Abstimmung mit den Regionalkonferenzen erfolgt.
«Abstimmung» bedeute nicht, dass der Kanton eine abweichende Meinung übernehmen müsse. In der kantonalen Richtplanung beschränke sich die Rolle der RKBM auf die Mitwirkung.
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