Als die Insel-Gruppe im Juni 2014 einer unbequemen Oberärztin kündigte, war dies eine sogenannte Rachekündigung. Das geht aus der jetzt vorliegenden Entscheidbegründung in diesem Fall hervor, der seit drei Jahren die Berner Justiz beschäftigt.
Die Insel-Gruppe habe zwar nachgewiesen, dass in diesem Fall ein gestörtes Vertrauensverhältnis vorgelegen habe, steht im 48-seitigen Papier, das der Nachrichtenagentur sda vorliegt. Das Unternehmen habe aber nicht nachgewiesen, dass es tatsächlich aus diesem Anlass der Frau gekündigt habe.
Wenn schon hätte die Insel-Gruppe die Kündigung viel früher aussprechen müssen, denn das gestörte Vertrauensverhältnis habe seit längerer Zeit bestanden. Insofern sei davon auszugehen, dass eine Diskriminierungs-Beschwerde, welche die Oberärztin im Februar 2014 beim Rektorat der Universität Bern einreichte, unmittelbarer Anlass zur Kündigung gewesen sei.
Die Kündigung auf diese Beschwerde abzustützen, sei aber missbräulich. Deshalb sei von einer Rachekündigung gemäss Artikel 10 des Eidgenössischen Gleichstellungsgesetzes auszugehen und die Kündigung aufzuheben. Das steht in der Entscheidbegründung einer Gerichtspräsidentin des Regionalgerichts Bern-Mittelland.
Zoff mit Klinikdirektor
Dass die Berner Richterin in diesem langen Rechtsstreit der Ärztin Recht gab und die Kündigung aufhob, ist schon seit November letzten Jahres bekannt. Damals lag nur das Urteilsdispositiv vor, nicht aber die Urteilsbegründung. Diese Begründung mussten die Parteien verlangen.
Der Streit geht auf Probleme zwischen der Ärztin und einem Klinikdirektor des Berner Universitätsspitals zurück. Die Ärztin warf dem Direktor vor, bei der Verteilung privatärztlicher Einnahmen nicht korrekt vorgegangen zu sein.
Die Berner Staatsanwaltschaft verzichtete allerdings in diesem Punkt auf ein Verfahren und die Insel-Gruppe stellte sich hinter den Klinikdirektor.
Die Ärztin engagierte sich auch für einen besseren Mutterschutz und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf an der Klinik. In ihrer aufsichtsrechtlichen Beschwerde an das Rektorat der Uni Bern machte sie eine Diskriminierung als Frau und die Verhinderung ihrer akademischen Karriere geltend.
Nachdem ihr im Juni 2014 gekündigt worden war, ersuchte die Ärztin zuerst um provisorische Wiedereinstellung. Das wurde ihr aber gerichtlich verwehrt. Gemäss dem Urteil vom vergangenen November sollte sie nun wieder im Insel-Spital arbeiten dürfen.
Das würde sich auch gern tun, wie sie in einem der "Neuen Zürcher Zeitung" vom Mittwoch gegebenen Interview sagt. Diese Zeitung gab am Mittwoch als erste die Entscheidbegründung wieder.
Noch anfechtbar - und Teilentscheid
Noch ist der Entscheid der Berner Richterin nicht rechtskräftig. Die Insel-Gruppe hat 30 Tage Zeit, um allenfalls beim bernischen Obergericht Berufung einzulegen. Die Medienstelle der Insel-Gruppe sagte dazu auf Anfrage, das Unternehmen benötige ein paar Tage, um die Urteilsbegründung zu studieren. Erst danach könne sich die Insel-Gruppe äussern.
Es handelt sich auch nur um einen Teilentscheid in dieser Angelegenheit. Nach wie vor hängig sind Forderungen der Ärztin zur Verteilung der privatärztlichen Einnahmen jener Insel-Klinik, in der die Ärztin tätig war. Das geht aus der Entscheidbegründung hervor. Der Fall wird die Berner Justiz also weiterhin beschäftigen.
Zurück zur Startseite