Der Spitex-Verband des Kantons Bern warnt vor einem drastischen Leistungsabbau mit harten Konsequenzen für Patienten, Spitäler und die Allgemeinheit. Er hofft, dass sich der Grosse Rat im November gegen die geplanten Einsparungen des Regierungsrats stellen wird.
Die öffentlichen Spitex-Organisationen stünden bekanntlich in der Pflicht, Patienten im ganzen Kanton rund um die Uhr zu versorgen, sagte Rahel Gmür vom Verbandsvorstand am Dienstag vor den Medien. Allerdings seien über die Hälfte der Einsätze defizitär, weil die Wegzeiten zu lang oder die Einsätze zu kurz seien.
Zwar leiste der Kanton eine Abgeltung für die sogenannte Versorgungspflicht. Doch diese Gelder reichten schon heute nicht aus, betont der Verband unter Berufung auf ein Gutachten unabhängiger Ökonomen. Wenn nun zusätzlich 8 Millionen Franken wegfielen, wie das die Regierung vorsehe, wachse die Finanzierungslücke auf 11,5 Millionen Franken.
Kahlschlag auf dem Land
Zahlreiche öffentliche Spitex-Organisationen kämen in die roten Zahlen, befürchtet der Verband. Besonders gefährdet seien ländliche Regionen. Um die Existenz der Betriebe sicherzustellen, wäre ein Leistungsabbau unabdingbar. Das wiederum hätte negative Folgen für Patienten, Spitäler und Ärzte.
Gerade Spitäler seien auf eine leistungsfähige Spitex angewiesen, die alle Patienten rasch übernehme - unabhängig davon, ob der Einsatz rentabel sei oder nicht. Auch der Kanton verfolge eigentlich die Strategie "ambulant vor stationär". Doch die geplanten Sparmassnahmen liefen diesem Prinzip zuwider.
Denn wenn die Spitex ausfalle, müssten Menschen vermehrt in Spitälern behandelt oder in Heimen untergebracht werden - mit den entsprechenden Mehrkosten zu Lasten von Prämien- und Steuerzahlern. Eine massive Verlagerung zu den Ergänzungsleistungen sei zu befürchten, und auch den Gemeinden drohten erhebliche Mehrkosten.
"Heim ist teurer"
Der Spitex-Verband zitiert in einer Broschüre gegen das Entlastungspaket mehrere Patienten. Die 80-jährige Vreni Zitterli zum Beispiel weist darauf hin, dass sie dank Spitex immer noch in den eigenen vier Wänden leben kann. "Wenn ich in ein Heim muss, kommt das doch für alle viel teurer."
Der 60-jährige Daniel Schwab hat Multiple Sklerose. Laut Angaben des Spitex-Verbandes könnte auch er nicht mehr daheim versorgt werden und müsste in ein Heim verlegt werden. Wie sein Alltag überhaupt aussehe und wie wichtig die Spitex sei, könnten sich die Politiker nicht vorstellen. "Das macht mich wütend und traurig zugleich."
Für den Spitex-Verband ist das Sparprogramm "unverantwortlich, unvernünftig und unsozial". Einen Viertel aller Einsparungen 2018 sollten gemäss Regierung zu Lasten der Spitex und ihrer Klienten gehen, obwohl der Kostenanteil der Spitex an den kantonalen Nettoausgaben lediglich 1,5 Prozent betrage.
Lobby-Arbeit im Rathaus
Der Ball liegt nun beim Kantonsparlament. Für die Interessen der öffentlichen Spitex lobbyiert Lars Guggisberg, Mitglied des Verbandsvorstands und SVP-Grossrat.
Er wird nach eigenen Worten dafür kämpfen, dass das Parlament auf die 8-Mio-Einsparung im Jahr 2018 verzichtet. Zudem will er sich dafür einsetzen, dass der Kanton ein neues Modell für eine leistungsgerechte Abgeltung des Versorgungsauftrags erhält.
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