Kantonsfinanzen Kanton Bern schreibt weniger Überschuss als erwartet

SDA

1.5.2018 - 11:57

Der Kanton Bern weist zum fünften Mal in der Folge schwarze Zahlen in der Jahresrechnung aus. 2017 beläuft sich der Überschuss auf 49 Mio. Franken, etwa halb so viel wie budgetiert. Regierung und Finanzkontrolle sind derweil wegen des neuen Rechnungslegungsmodells HRM2/IPSAS über Kreuz geraten.

Nun soll das Berner Kantonsparlament im September den Grundsatzentscheid fällen, ob es der Rechnung nach Art der Regierung zustimmt oder nicht.

Bei der Umsetzung des neuen Rechnungslegungsmodells gebe es Interpretationsspielraum, führte Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) am Dienstag vor den Medien in Bern aus. Es sei daher am entsprechenden Organ, die Interpretation vorzunehmen. Dies habe der Regierungsrat getan.

Nach Auffassung der bernischen Finanzkontrolle weist die erstmals nach HRM2 erstellte Jahresrechnung hingegen Mängel auf. Dabei geht es unter anderem um die Bewertung von Strassen und Verkehrswegen oder die Konsolidierung der Arbeitslosenkasse und der Regionalen Arbeitsvermittlung in der Rechnung.

Auch hinsichtlich der Spezialfinanzierungen wie dem Investitionsspitzenfonds oder dem Spitalinvestitionsfonds gibt es Differenzen. Mit solchen Fonds will der Kanton vorsparen, um später Investitionen finanzieren zu können. Die "Kässeli" waren den Bürgerlichen bisher stets ein Dorn im Auge.

Dass der bürgerlich dominierte Grosse Rat nun durch die Hintertüre die ungeliebten Fonds angreifen könnte, glaubt Finanzdirektorin Beatrice Simon nicht. Es sei akzeptiert, dass es solche Spezialfinanzierungen brauche, sonst könnte der Kanton seine Investitionen nicht berappen.

Hier gehe es nicht um die politische Frage der umstrittenen Fonds, sondern ausschliesslich um Rechnungslegungsfragen, sekundierte Gerhard Engel, stellvertretender Generalsekretär der Finanzdirektion.

Simon betonte weiter, dass es sich bei den Differenzen mit der Finanzkontrolle einzig um Fragen der buchhalterischen Darstellung handelt, "also um keine Sachverhalte, bei welchen der Kanton finanziell zu Schaden gekommen wäre oder um Verletzungen der Ausgabenkompetenz."

Minus statt Plus

Hätte der Kanton Bern die Rechnung 2017 vollständig nach den Vorstellungen der Finanzkontrolle verfasst, hätte der Überschuss um 50 bis 80 Millionen Franken nach unten korrigiert werden müssen. Schlimmstenfalls hätte ein Defizit von 30 Millionen Franken resultiert, wie Simon einräumte.

Den Vorwurf, der Kanton rede die Rechnung schön, wies die Finanzdirektorin zurück. Andere Kantone machten genau das Gleiche wie der Kanton Bern und auch Experten würden ein solches Vorgehen empfehlen.

Von der Konjunktur profitiert

Ein Blick auf die Jahresrechnung 2017 zeigt, dass der Kanton Bern im vergangenen Jahr von der konjunkturellen Entwicklung profitiert und mehr Steuern eingenommen hat.

Die Jahresrechnung 2017 schliesst mit einem Überschuss von 49 Millionen Franken. Das ist zwar etwas weniger als budgetiert, doch entspricht das Ergebnis insgesamt den Erwartungen der Regierung, wie diese am Dienstag mitteilte.

Negativ wirkten sich beispielsweise höhere Abschreibungen infolge von HRM2 und der Strassennetzbeschluss 2 des Bundes aus. Positiv zu Buche schlug ein höherer Steuerertrag, die höhere Gewinnausschüttung der Nationalbank und ein höherer Finanzertrag.

Die Nettoinvestitionen liegen mit 465 Mio. Franken leicht über Budget. Sie konnten vollständig aus eigenen Mitteln finanziert werden. Der Finanzierungssaldo beläuft sich auf 14 Mio. Franken, budgetiert waren dafür lediglich 8 Mio. Franken.

Nachdem sich die finanzpolitischen Perspektiven im Herbst 2016 verdüstert hatten, sei es in den vergangenen Jahren gelungen, mit einer restriktiven Budgetierung und Entlastungsmassnahmen, den Finanzhaushalt auch planerisch wieder zu stabilisieren, bilanzierte Finanzdirektorin Beatrice Simon.

Die finanzpolitischen Herausforderungen hält sie aber weiterhin für gross. Simon verwies auf das hohe Ausgabenwachstum in einzelnen Aufgabenbereichen, etwa aufgrund demografischer Entwicklungen oder dem Mobilitätswachstum. Gleichzeitig drohten tiefere Ausgleichszahlungen aus dem Bundesfinanzausgleich.

Dazu komme ein stark steigender Investitionsbedarf wegen Grossprojekten wie etwa der Umfahrung von Aarwangen oder dem Campus Biel/Bienne. Der zunehmend intensivere Steuerwettbewerb lasse schliesslich auch den Ruf nach steuerlichen Entlastungen lauter erschallen.

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