Der Regierungsrat hat den ehemaligen Berner Statthalter Christoph Lerch als Besonderen Verwalter der Kirchgemeinde Thun-Strättligen eingesetzt. Lerch führt die Geschäfte, bis der Kirchgemeinderat personell wieder besetzt ist. Dessen aktuelle Mitglieder waren im Herbst in corpore zurückgetreten.
Dem Rücktritt ging eine jahrelange Kraftprobe mit der Gesamtkirchgemeinde Thun voraus. Vor dem Hintergrund schwindender Mitgliederzahlen machte sich die Gesamtkirchgemeinde Gedanken, wie sie mit den weniger werdenden Mitteln in Zukunft umgehen will, damit für alle Kirchgemeinden im Raum Thun eine möglichst faire Behandlung sichergestellt werden kann.
Wie in vielen anderen Kirchgemeinden stellte sich auch die Frage, ob man sich von Liegenschaften und gegebenenfalls von Gotteshäusern trennen soll. In Thun sollte die stark sanierungsbedürftige Johanneskirche, ein Bauwerk aus den 1960-er Jahren, geschlossen werden.
In der betroffenen Kirchgemeinde Thun-Strättligen formierte sich eine Gruppierung, die vehement Widerstand leistete und der Gesamtkirche Thun hart an den Karren fuhr. Die Gesamtkirchgemeinde verfüge über ihre Köpfe hinweg, wurde kritisiert.
Ungelöster Streit
Der Gruppierung gelang es 2018 beim Kirchenvolk eine Initiative für den Erhalt der Johanneskirche durchzubringen. Danach entbrannte ein Streit um die Sanierung und Nutzung der Kirche, der nie gelöst werden konnte.
Aktuell läuft eine Diskussion, ob sich die fünf Thuner Kirchgemeinden freiwillig zu einer einzigen zusammenschliessen sollen. Die heutige Doppelstruktur mit Einzelkirchen und einer Gesamtkirchgemeinde sei zu schwerfällig. Die Strättliger Gruppierung wiederum will, dass sich ihre Kirchgemeinde von der Gesamtkirchgemeinde lossagt.
Jüngst trat nun der Kirchgemeinderat von Thun-Strättligen in corpore zurück. Ins Feld geführt wurden die unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich der Gemeindeleitung, der internen Strukturen, der Gebäudeentwicklungsstrategie und der verfügbaren finanziellen Mittel für das Gemeindeleben zwischen dem Kirchgemeinderat, dem Pfarrteam und der Gesamtkirchgemeinde Thun.
«Wir wünschen uns ab Januar 2023 in Strättligen einen Partner, der sich gemeinsam mit uns für die anstehenden Probleme engagiert und mithilft, gemeinsam Lösungen zu finden», sagte Willy Bühler, Präsident der Exekutive der Gesamtkirchgemeinde jüngst der Zeitschrift «Reformiert».
Konflikterprobter Verwalter
Mit Christoph Lerch übernimmt ein versierter und konflikterprobter alt Statthalter nun vorübergehend die Geschäfte. Der Sozialdemokrat war von 2010 bis 2021 Berner Statthalter.
Sein Auftrag ist es, die Aufgaben des Kirchgemeinderates umfassend wahrzunehmen und die Wiederbesetzung des Kirchgemeinderates einzuleiten, wie der Regierungsrat am Freitag mitteilte.
Zudem wird Lerch beauftragt, bis am 31. März 2023 eine ausserordentliche Kirchgemeindeversammlung zur Beschlussfassung über die Mitwirkung der Kirchgemeinde Thun-Strättligen an den geplanten Fusionsabklärungen zu organisieren.
Die besondere Verwaltung wird bis zur Wahl eines neuen Kirchgemeinderates, längstens aber bis Ende Dezember 2023, eingesetzt. Die Kosten gehen zulasten der Kirchgemeinde Thun-Strättligen.