Grosser Rat BE Kommission soll Kostenfolgen des Sozialhilfe-Volksvorschlags prüfen

SDA

22.11.2018 - 14:24

Der Grosse Rat empfiehlt den Volksvorschlag zum Sozialhilfegesetz mit 87 zu 59 Stimmen zur Ablehnung. Zu reden gaben am Donnerstag im Rat vor allem die Kostenfolgen. Das Parlament beauftragte die staatspolitische Kommission mit einer Prüfung der Zahlen.

Mit diesem Vorschlag ebnete das Parlament den Weg für den Verzicht auf einen Rückweisungsantrag von SP/Grünen/EVP. Ein solcher hatte im Ratsbüro am Morgen für Kopfzerbrechen gesorgt, weil er formaljuristisch bei der parlamentarischen Beratung eines Volksvorschlags gar nicht zulässig wäre.

Konkret erteilte der Rat der für die Abstimmungsbotschaft zuständigen Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK) einstimmig den Auftrag, die Zahlen im Hinblick auf die Abstimmungsbotschaft "unter Einbezug von unabhängigen Experten" zu verifizieren und zu plausibilisieren.

Zahlen "wenig vertrauensfördernd"

Die Urheber des Volksvorschlags wehrten sich bei der Debatte im Rat gegen die "Schwarzmalerei". Die Zahlen des Regierungsrates, der die Mehrkosten pro Jahr je nach Variante auf 49 bis 178 Millionen Franken schätzt, seien "wenig vertrauensfördernd", sagte Grünen-Fraktionschefin Andrea de Meuron (Thun).

Nötig sei vielmehr eine "faktenbasierte Entscheidgrundlage". So gehe der Regierungsrat bei der Kostenberechnung davon aus, dass sämtliche über 55-jährigen Ausgesteuerten sozialhilfeabhängig würden. Solche Annahmen würden von den Sozialämtern zu Recht in Frage gestellt.

Die Leiter der Sozialdienste der Städte Bern, Biel und Thun schätzen die Mehrkosten des Volksvorschlags auf jährlich 6 Millionen Franken, wie sie laut "Der Bund" in einem Brief an die Fraktionspräsidenten schrieben.

Schnegg warnt vor massiven Kosten

Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) zeigte sich im Rat mit einer unabhängigen Validierung der Zahlen einverstanden. Entscheidend sei, dass das Volk baldmöglichst über den Volksvorschlag und das revidierte Sozialhilfegesetz abstimmen könne.

Schnegg hielt jedoch fest, dass der Volksvorschlag die finanziellen Möglichkeiten des Kantons übersteige. Längerfristig würden Zusatzkosten in der Höhe von jährlich mehreren Dutzend Millionen Franken entstehen, die zudem zur Hälfte von den Gemeinden getragen werden müssten.

Die Ratsmehrheit stellte sich erwartungsgemäss hinter die Revision des Sozialhilfegesetzes, wie sie im März vom Kantonsparlament verabschiedet worden war. Darin wird der Grundbedarf um acht Prozent gekürzt. Im Gegenzug werden Anreize zur Integrationsförderung geschaffen und die Wirtschaft stärker einbezogen.

Abstimmung voraussichtlich im Mai 2019

Der Volksvorschlag will hingegen erreichen, dass sich die Unterstützungsleistungen im Kanton Bern wieder nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) richten. Zudem sollen über 55-jährige Ausgesteuerte im Kanton Bern Ergänzungsleistungen erhalten.

Die Gegner befürchten, dass eine solche "Frühberentung von Arbeitslosen" zu einer Sogwirkung führen könnte und Unternehmen dazu bringen könnten, ältere Arbeitnehmer auf die Strasse zu stellen. Ergänzungsleistungen für Ausgesteuerte könnten nicht isoliert in einem Kanton eingeführt werden.

Das Stimmvolk wird voraussichtlich im Mai 2019 über beide Vorlagen befinden. Finden sowohl die Gesetzesrevision wie der Volksvorschlag an der Urne eine Mehrheit, entscheidet die Stichfrage. Das Parlament beschloss am Donnerstag mit 77 zu 68 Stimmen, dem Volk bei der Stichfrage die Grossratsvorlage zu empfehlen.

Strafrechtliches Nachspiel

Das Schreiben der Sozialdienstleiter der Städte Bern, Thun und Biel hat im übrigen ein juristisches Nachspiel. Laut Hans-Peter Kohler (FDP), Präsident der Sozialkommission, wird darin aus vertraulichen Unterlagen zitiert. Diese "erneute Verfehlung" soll in die bereits laufende Strafanzeige integriert werden.

Diese war im Frühling deponiert worden, nachdem ein erster Entwurf der Ausführungsverordnung zum Sozialhilfegesetz in die Medien gelangt war. Schnegg sagte am Donnerstag im Rat, er "bedaure" es, dass vertrauliche Dokumente in Umlauf gebracht wurden.

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