Bern
Das bernische Obergericht hat Anfang Woche einen Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma der Amtsanmassung schuldig gesprochen. Der Sicherheitsmann hatte im Juni 2015 in Aarberg Jugendliche kontrolliert. Von einem verlangte er den Ausweis und fotografierte das Dokument mit seinem Mobiltelefon.
Der Fall warf seinerzeit hohe Wellen, nicht zuletzt weil es dabei im Kern um die Frage geht, was private Sicherheitsfirmen im öffentlichen Raum dürfen und was nicht.
In erster Instanz war der Sicherheitsangestellte noch freigesprochen worden. Das Regionalgericht in Biel kam zu Schluss, dass der Wachmann unerlaubterweise eine Amtshandlung vorgenommen hatte, die der Polizei vorbehalten ist. Allerdings habe er nicht wissentlich und willentlich gehandelt, sondern getan, was die Gemeinde von ihm verlangt habe.
Falscher Eindruck erweckt
Das Obergericht beurteilte die Sache nun leicht anders. Der Sicherheitsmann habe gewusst, dass er nicht zu einer solchen Personenkontrolle berechtigt gewesen sei.
Indem er in seinem "Broncos"-Gilet an die Jugendlichen herangetreten sei und den ältesten der Gruppe aufforderte, den Ausweis vorzuzeigen, habe er aber den Eindruck erweckt, dazu befugt zu sein.
Als einer der Jugendlichen einwarf, sie seien nicht verpflichtet, ihm einen Ausweis zu zeigen, habe der Sicherheitsmann nur mit der Bemerkung reagiert, dass der Junge wohl das Gesetz gut kennen würde.
Leichtes Verschulden
Auch das Obergericht anerkannte, dass der Wachmann im Auftrag der Gemeinde im Kampf gegen Littering handelte und sprach von einem "sehr leichten Verschulden". Der Angestellte habe seinen Auftrag bestmöglich erfüllen wollen. Eine gesetzliche Grundlage für den Auftrag habe aber nicht bestanden.
Um Littering zu verhindern, wäre eine Personenkontrolle auch gar nicht nötig gewesen, urteilt die zweite Instanz. Es hätte genügt, die Jugendlichen darauf aufmerksam zu machen, den Abfall wegzuräumen, wenn sie den Platz verliessen. Die Gruppe habe in der Folge ja auch keinen Anlass zu weiteren Massnahmen geboten und insbesondere auch keinen übermässigen Lärm verursacht.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Obergericht verurteilte den Sicherheitsmann zu einer bedingten Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 50 Franken. Die Probezeit beträgt zwei Jahre. Das Urteil kann innert 30 Tagen ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Der Fall fand insbesondere auch deshalb viel Beachtung, weil er ein Schlaglicht auf die heikle Frage der Kompetenzen privater Sicherheitsdienste wirft. Es fehlt ein schweizweiter Standard.
In Zeiten hohen Spar- und Kostendrucks setzen etwa Gemeinden zunehmend auf private Sicherheitsdienste, um für Ruhe und Ordnung auf öffentlichen Plätzen zu sorgen - früher eigentlich eine klassische Polizeiaufgabe.
Entwicklung macht Polizisten Sorgen
Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (SVPB) verfolgt die Entwicklung seit längerem mit Sorge. Dies unter anderem, weil die Anforderungen an die Ausbildung privater Sicherheitsleute nicht einheitlich geregelt ist, ebenso wenig wie deren Aufgaben.
Die Berner Sektion des SVPB reagierte am Freitag in einer Mitteilung erleichtert auf das Urteil. Das Obergericht bestätigte klar, dass Personenkontrollen im öffentlichen Raum nicht Sache privater Sicherheitsdienste sein könnten.
Der Verband hofft, dass Gemeinden, die private Security-Firmen engagieren, deren Aufträge entsprechend formulieren. Amtsgewalt dürfe einzig und allein die Polizei ausüben. "Das heisst: Objektschutz im öffentlichen Raum ja, Personenkontrollen nein", beharrt der Verband.
Der bernische Grosse Rat wird bald über ein neues Polizeigesetz debattieren. Die Regierung hat einen Entwurf vorgelegt, der Regelungen für private Sicherheitsfirmen ausklammert. Sie sollen in einen separaten Erlass einfliessen. Die vorberatende Grossratskommission hat Anfang Oktober klar gemacht, dass sie bis im kommenden März einen solchen Erlass erwartet.
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