Die geplanten Reformen bei der Sozialhilfe im Kanton Bern stossen auf Widerstand auf der Strasse und im Rathaus. In der Berner Altstadt beteiligten sich am Mittwochabend einige hundert Menschen an einer Demo unter dem Motto "Keine Lust auf Sozialhilfekürzungen".
Das Kantonsparlament solle die "menschenverachtenden Gesetzesänderungen" ablehnen, forderten die Demonstrierenden, die sich auf dem Kornhausplatz versammelt hatten. Ihr Ziel war das Rathaus, wo der Grosse Rat am Abend seine Mittwochsitzung beendete.
Vor dem Rathaus machten sich die Kundgebungsteilnehmer lautstark bemerkbar. Als die Grossrätinnen und Grossräte nach Sitzungsende aus dem Rathaus traten, wurden sie von einem ohrenbetäubenden Pfeifkonzert begrüsst.
Auch viele phantasievolle Protestformen, etwa verkleidete Handharmonikaspieler, waren an der Kundgebung zu sehen. "Schnegg muss weg", skandierte die Menge und spielte damit auf Gesundheits- und Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) an.
Zur Kundgebung aufgerufen hatte eine Gruppe von Personen, die nach eigenen Angaben vom sozialen Kahlschlag betroffen sind. "Wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut", stand auf einem der Transparente geschrieben.
Der Grosse Rat befasst sich nächste Woche in zweiter Lesung mit dem revidierten Sozialhilfegesetz. Aus Sicht der Befürworter sind die Kürzungen vertretbar - zumal man damit das Ziel verfolge, Erwerbsarbeit im Vergleich zum Bezug von Sozialhilfe attraktiver zu machen.
Anders sehen es die Gegner. Sie befürchten, mit der Reduktion des Grundbedarfs spare der Kanton auf dem Buckel der Ärmsten. Dass diese ihre Lage selber verbessern könnten, sei eine leere Behauptung.
Bestärkt sehen sie sich durch Medienberichte von Anfang dieser Woche über die geplante Ausführungsverordnung. Die SP etwa zieht aus den Berichten den Schluss, dass Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) das Anreizsystem entgegen den Versprechungen nicht ausbauen will.
Genaues ist nicht bekannt, weil der Entwurf der Verordnung noch nicht vorliegt. Die zweite Lesung des Gesetzes sollte deshalb zurückgestellt werden, finden die Fraktionen von SP, Grünen und EVP. Zuerst müssten alle Grossratsmitglieder Kenntnis vom Verordnungsentwurf haben.
Sollten sich die Befürchtungen bestätigten, sei der Grosse Rat im November in die Irre geführt worden, schreibt die SP in einem Communiqué vom Mittwoch. Damals habe er in erster Lesung eine einschneidende Reduktion des Grundbedarfs beschlossen, sei aber womöglich von falschen Annahmen ausgegangen.
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