Justiz Staatsanwaltschaft fordert mehrjährige Freiheitsstrafen

SDA

29.4.2020 - 18:06

Das Regionalgericht Thun befasst sich mit einem verworrenen Fall um einen Messerangriff unter türkischen Geschäftskonkurrenten.
Das Regionalgericht Thun befasst sich mit einem verworrenen Fall um einen Messerangriff unter türkischen Geschäftskonkurrenten.
Source: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Im Zusammenhang mit einer Messerstecherei unter türkischen Geschäftskonkurrenten hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch für die drei Beschuldigten mehrjährige Freiheitsstrafen gefordert. Die Verteidigung forderte dagegen Freisprüche.

Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass der Betreiber eines türkischen Lokals in Thun zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder im Januar 2019 einen unliebsamen Geschäftskonkurrenten umzubringen versuchte.

Der Wirt soll auf den Konkurrenten mit einem Messer eingestochen habe. Der Bruder soll das Opfer festgehalten und der Vater den Befehl gegeben haben, den Mann zu töten.

Die drei Angeschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück. Nicht er habe ein Messer gezückt, sondern sein Konkurrent, sagte der Thuner Imbiss-Inhaber vor Gericht. Er habe die messerführende Hand des Angreifers festgehalten, dabei sei es zum Gerangel gekommen. In dem dynamischen Geschehen sei der Konkurrent verletzt worden. Der Bruder und der Vater betonten beide, sie hätten die Auseinandersetzung schlichten wollen.

Wie die Geier

Die Aussagen der drei Angeschuldigten hielt Staatsanwältin Brigitte Häberli für unglaubwürdig. Der Lokalbetreiber, sein Vater und sein Bruder hätten widersprüchliche Angaben gemacht, ihren Tatbeitrag beschönigt und versucht, dem Konkurrenten die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Den Schilderungen der drei würden auch die Erkenntnisse des Instituts für Rechtsmedizin sowie Aussagen von unbeteiligten Zeugen entgegenstehen, die die Auseinandersetzung am helllichten Tag in der Nähe des Bahnhofs Thun beobachtet hatten. Die drei hätten sich «wie die Geier» auf einen Mann gestürzt, der in ein Auto einstieg, zitierte die Staatsanwältin aus Zeugenaussagen.

Der Lokalbetreiber und sein traditionsverhafteter Familienclan mit kurdischen Wurzeln habe alles daran gesetzt, den Konkurrenten schlecht zu machen und zu schikanieren. Dazu habe die Familie ein einziges Lügengebäude errichtet, kam die Staatsanwältin zum Schluss.

Sie forderte für den Lokalbetreiber eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren, für den Bruder eine Strafe von 6 Jahren und für den Vater eine von 5,5 Jahren. Der Vater und der Bruder, beides türkische Staatsangehörige, seien des Landes zu verweisen. Der Lokalbetreiber hat einen Schweizer Pass.

Die drei hätten bei dem Angriff den Tod ihres Gegners in Kauf genommen und seien wegen versuchter vorsätzlicher Tötung schuldig zu sprechen, so der Antrag der Staatsanwaltschaft.

In Notwehr gehandelt

Die Verteidiger hingegen forderten am Mittwoch Freisprüche. Der Messerangriff sei vom Geschäftskonkurrenten ausgegangen, sein Mandant habe sich lediglich in Notwehr verteidigt, betonte der Verteidiger des Imbiss-Besitzers.

Nur weil eine Familie kurdische Wurzeln habe, handle es sich nicht einfach tel quel um einen düsteren Familienclan, der auf Blutrache sinne, verwahrte sich der Verteidiger gegen das von der Staatsanwältin gezeichnete Bild. Sein Mandant sei ein in der Schweiz integrierter, erfolgreicher Geschäftsmann.

Vielmehr sei es so, dass sein Konkurrent neidisch sei auf diesen Erfolg. Die beiden würden sich schon lange kennen. Aus einstigen Freunden seien erbitterte Feinde geworden. Vor Jahren wollten die beiden das Thuner Lokal gemeinsam betreiben und auch den Gewinn teilen. Letzteres geschah dann aber nicht. Es kam zum Streit.

Dieser flammte jüngst wieder auf, als der damals mutmasslich Geprellte in unmittelbarer Nähe des Thuner Imbiss-Lokals ebenfalls ein türkisches Restaurant-Take away eröffnen wollte.

Der ansässige Lokalinhaber erhob Einsprache gegen das Bauvorhaben. Der Konkurrent habe also durchaus Motive gehabt, seinem einstigen Freund eins auszuwischen, kam die Verteidigung zum Schluss.

Im Zweifel für den Angeklagten

Eine wichtige Frage in dieser ganzen verworrenen Geschichte war auch der Tatbeitrag des Vaters. Der Geschäftskonkurrent will gehört haben, wie der alte Mann seinen Söhnen während des Gerangels zurief «tötet ihn!«.

Der Vater hingegen will seinen Söhnen zugerufen haben, aufzuhören. Die beiden Ausdrücke dafür würden sich in Türkisch und Kurdisch nur durch einen Buchstaben unterscheiden, erklärte der Verteidiger des Vaters. Es sei also nicht ausgeschlossen, dass es sich in der Hitze des Gefechts um ein Missverständnis handle. Der Vater sei darum nach der Regel «im Zweifel für den Angeklagten» freizusprechen. Das Urteil soll am Freitagnachmittag eröffnet werden.

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