Ein Mann rennt in Panik in ein Berner Lokal, ein anderer folgt ihm mit einem Messer in der Hand. Zu einer Messerstecherei kommt es nicht, denn eine Mitarbeiterin des Lokals bringt den Verfolger beherzt zu Fall. Seit Montag beurteilt das Regionalgericht Bern den Fall.
Der Streit trug sich Ende August 2016 in der Aarbergergasse in der Berner Innenstadt zu. Vor Gericht steht ein 45-jähriger Portugiese. Dieser will laut Anklageschrift an jenem Tag in einem Lokal bei einem Marokkaner Kokain gekauft haben. Mit dessen Ware unzufrieden, verliess er das Lokal, ohne für den Stoff zu bezahlen.
Der Marokkaner hingegen bestritt laut Anklageschrift, dem Portugiesen je Kokain verkauft zu haben. Wie auch immer, die beiden Männer gingen nach draussen, wo sie aneinander gerieten. Wie diese Auseinandersetzung genau ablief, darin sind sich die beiden Protagonisten ebenfalls uneinig.
Eine als Zeugin aussagende Mitarbeiterin des Lokals schilderte am Montag vor Gericht, dass der ihr als Gast bekannte Marokkaner plötzlich in Panik ins Etablissement gestürzt kam, auf dem Fuss gefolgt vom Angeklagten, der ein Messer in der Hand hielt.
Angst vor Messerstecherei in der Bar
Sie habe grosse Angst bekommen, dass der Angreifer sein Opfer gleich niederstechen werde. Für sie habe die Sache "sehr gefährlich" ausgesehen. Wohl aus dieser Angst heraus habe sie dem Angreifer reflexartig ein Bein gestellt, so dass dieser zu Fall kam. Der Marokkaner habe sich durch eine automatische Glastüre ins Fumoir flüchten können.
Sie habe dem Angreifer gesagt, er solle sofort das Lokal verlassen, die Polizei sei gleich da. Der Mann sei der Aufforderung ohne weitere Umstände zu machen gefolgt. An der Aarbergergasse wurde er von der Polizei daraufhin gefasst.
"Nur einschüchtern"
Der Angeklagte selber sagte am Montag vor Gericht, er habe seinen Kontrahenten nur "einschüchtern wollen". Niemals habe er vorgehabt, ihn zu verletzen oder zu töten.
Das Messer habe er beim Verlassen des Lokals zufällig auf dem Boden liegen sehen und mitgenommen, schilderte der Portugiese. Er habe sich schon gedacht, dass ihm der Marokkaner hinterher eilen werde, weil er für die Drogen ja nicht bezahlt habe.
Der Angeklagte beteuerte mehrfach, die Klinge des Messers nie nach vorne in Richtung des Kontrahenten gehalten zu haben, sondern stets in Richtung seiner eigenen Ellenbeuge.
Der Marokkaner hingegen habe ihn unsanft an der Schulter gepackt und gedroht, er werde Verstärkung holen. Daraufhin habe sich sein Kontrahent entfernt und er sei ihm hinterher gegangen, um ihm Angst einzujagen, führte der Angeklagte aus.
Seine Aussagen kontrastieren mit jenen der Zeugin und Aussagen einer weiteren Mitarbeitenden des Lokals in ersten Einvernahmen. Die beiden Damen gaben an, der Angeklagte habe ein Messer auf den Marokkaner gerichtet.
Die Frauen hätte den Marokkaner eben als Gast gekannt und darum vielleicht falsche Angaben gemacht, brachte der angeschuldigte Portugiese vor.
Töten, verletzen oder nur drohen
Das fünfköpfige Gericht muss in den kommenden Tagen darüber befinden, ob der Angeklagte den Tod oder eine Verletzung des Opfers wollte oder zumindest in Kauf nahm.
Was denn passiert wäre, wenn er nicht von der Mitarbeitenden zu Fall gebracht worden wäre, wollte Gerichtspräsident Urs Herren vom Angeklagten wissen. "Nichts", antwortete dieser und betonte, er hätte das Lokal wieder verlassen, denn er habe seinem Gegner ja nur Angst einjagen wollen.
Der 45-jährige Portugiese befindet sich nach rund acht Monaten Untersuchungshaft im vorzeitigen Massnahmenvollzug. Er habe seine Einstellung zu Drogen und Alkohol verändert, sagte der Mann vor Gericht. Die Massnahme zeige Wirkung, doch möchte er gerne ausserhalb der Gefängnismauern arbeiten. Eine Stelle hat er nach eigenen Angaben.
Der marokkanische Privatkläger war am Montag nicht vor Gericht. Der Mann wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgeschafft, wie Gerichtspräsident Urs Herren bekannt gab. Das Urteil wird voraussichtlich am Donnerstagvormittag eröffnet.
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