Thun
Eine 23-jährige Autofahrerin ist am Freitag in Thun wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Das Regionalgericht machte sie verantwortlich für den Tod eines Töfffahrers vor zwei Jahren in Meiringen.
Der Unfall ereignete sich am 27. September 2015. Die Luzernerin hatte den Führerausweis auf Probe und unternahm mit ihrem BMW eine Sonntagsfahrt ins Berner Oberland. In Unterbach verpasste sie eine Abzweigung, fuhr die Hauptstrasse weiter Richtung Brienz und suchte nach einer Möglichkeit, um den Fehler zu korrigieren.
Sie entdeckte einen Feldweg auf der linken Seite und setzte zum Abbiegen an. Genau in diesem Moment wollte sie ein Töfffahrer überholen. Sein Motorrad krachte in die linke Hintertür des Autos, der 24-jährige Lernfahrer erlag seinen Verletzungen noch auf der Unfallstelle.
Die Staatsanwaltschaft klagte die Frau wegen fahrlässiger Tötung an. Sie habe dem Verkehrsgeschehen zu wenig Beachtung geschenkt, weil sie eine Wendemöglichkeit gesucht habe. Dass sich der Töfffahrer rasch genähert habe und sie überholen wollte, müsse ihr entgangen sein. Zudem habe sie das Abbiegen nicht oder zu spät angezeigt.
Die junge Frau wehrte sich vor Gericht gegen die Vorwürfe. "Ich habe alles so gemacht wie man es lernt." Sie habe im Rückspiegel einen Töfffahrer wahrgenommen, der habe sich aber "weit hinter mir" befunden. Darauf habe sie den Blinker gesetzt, das Tempo verlangsamt und sei abgebogen, erinnerte sie sich unter Tränen an die verhängnisvollen Sekunden.
"Rücksichtsloses Manöver"
Der Töfffahrer war schnell unterwegs: Laut Anklageschrift näherte er sich dem Auto mit 100 bis 120 Stundenkilometern statt der erlaubten 80.
Die "massiv übersetzte Geschwindigkeit" prägte das Plädoyer der Verteidigung. Der Lernfahrer sei als einziger schuld am Unfall. Dass er sein "rücksichtsloses Überholmanöver" mit dem Leben bezahlt habe, sei tragisch. Er habe aber auch die Autofahrerin stark gefährdet, die bis heute unter posttraumatischen Belastungsstörungen leide.
Anders beurteilte Einzelrichterin Dorothea Züllig den Fall. Sie folgte im Wesentlichen den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die nicht an der Hauptverhandlung teilnahm, und verurteilte die Autofahrerin zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 120 Franken.
Objektive Beweismittel gebe es nicht, räumte die Richterin ein. Sie äusserte aber Zweifel an der Darstellung der Autofahrerin. Diese möge zwar den Blinker betätigt haben - aber erst im Moment, als sie bereits hinüberschwenkte. Und das sei zu spät gewesen für den Motorradfahrer.
Eltern sahen den Unfall
Die Eltern des Töfffahrers mussten den Unfall mit ansehen, denn sie folgten ihrem Sohn auf dem eigenen Motorrad. "Ich schrie, als ich sah, dass es nicht gut kommen konnte", schilderte die Mutter die letzten Sekunden aus der Distanz von etwa 100 Metern.
Die Eltern traten als Privatkläger auf. Wird der Schuldspruch gegen die Autofahrerin rechtskräftig, ist auch die Frage der Haftpflicht zu Gunsten der Eltern geklärt. Den Sohn aber bringt das Urteil nicht zurück. "Es ist, als wäre mir ein Stück vom Herz weggerissen worden", sagte die Mutter.
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